Können Heilpilze wirklich heilen? |
Verena Schmidt |
23.07.2024 10:00 Uhr |
Wichtig ist auch, einen Blick auf die rechtliche Lage zu werfen. Die Heilpilze gelten als Nahrungsergänzungsmittel, sie zählen damit zu den Lebensmitteln. Das heißt, sie müssen keine Wirksamkeitsnachweise liefern, und es gibt auch keine Kontrolle auf Sicherheit und Unbedenklichkeit im Sinne einer staatlichen Zulassung. Verbraucher beziehen entsprechende Produkte auch häufig aus Asien über das Internet. Dabei ist die Gefahr durchaus gegeben, dass die Präparate nicht deklarierte Substanzen oder falsche Dosierungen enthalten.
Gesundheitsbezogene Werbeaussagen zu Lebensmitteln müssen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen werden. Für Vitalpilze gibt es eine solche Zulassung nicht – krankheitsbezogene Werbeaussagen zu den Pilzwirkungen sind damit also generell verboten. Entsprechende Pilzpräparate werden in der Regel auch nur unter ihrem Namen ohne direkten Krankheitsbezug und ohne nicht erlaubte Anwendungshinweise in neutraler Verpackung verkauft. Allerdings werden im Internet über Influencer in den sozialen Medien oder auch auf Gesundheitsmessen Behauptungen zu medizinischen Wirkungen verbreitet. Schon die Begriffe »Vitalpilze« oder »Heilpilze« legen für viele Verbraucher nahe, dass es sich um Naturarzneimittel mit Wirkung handelt. Doch es sind lediglich Marketingbezeichnungen, die weder rechtlich noch inhaltlich definiert sind.
Die Verbraucherzentrale schreibt: Nach Ansicht einer Expertenkommission, bestehend aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), wiesen Heilpilze eine medizinische Zweckbestimmung aufgrund der ausschließlichen Verwendung und bestehenden Verkehrsauffassung als »Naturarzneimittel auf« – auch ohne eine explizite arzneiliche Auslobung. In einem Gutachten kommen die Experten zu dem Schluss, dass Vitalpilze als Präsentationsarzneimittel anzusehen sind – das würde bedeuten, sie fallen unter die Regelungen des Arzneimittelrechts, egal ob tatsächlich eine pharmakologische Wirkung vorliegt.
Die Verbraucherzentrale rät Verwendern auf ihrer Website dazu, keine Selbsttherapien mit Pilzextrakten vorzunehmen, insbesondere wenn sie Medikamente einnehmen beziehungsweise eine Chemotherapie bekommen. Gewünschte Wirkungen könnten ins Gegenteil umschlagen. Keinesfalls sollten wegen einer Pilztherapie notwendige schulmedizinische Behandlungen verzögert oder unterlassen werden.
Gerade bei aus Asien importierten Produkten sei nicht sicher, dass die angegebenen Substanzen oder Dosierungen auch wirklich enthalten sind. Durch unsachgemäße Trocknung und Lagerung (beim Hersteller oder Händler) können sie laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit mit anderen Pilzen kontaminiert sein. Verunreinigungen mit Aflatoxinen und anderen giftigen Stoffen sind möglich.
Beta-Glucan-Extrakte aus Pilzen sollten nicht zusammen mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Glucocorticoiden oder nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) eingenommen werden. In Tierversuchen traten bei der Kombination starke Entzündungsreaktionen auf. Der Verzehr von Shiitake-Pilzen oder Produkten aus ihnen kann allergische Reaktionen, Lippenentzündungen und eine Dermatitis hervorrufen.
Laut BVL/BfArM kann man die Identität von Produkten mit dem Chinesischen Raupenpilz (Cordyceps sinensis), der bis zu 80.000 Euro pro Kilogramm kostet, prinzipiell anzweifeln. Andere günstigere Pilzarten würden oft fälschlich als Raupenpilz vermarktet beziehungsweise entsprechende Produkte damit gestreckt. Der Hersteller sollte ein Echtheitszertifikat vorlegen können.