Konkurrenz für die Kuh |
Die Gießener vegetarische Lebensmittelpyramide rückt Obst, Gemüse und Eiweiß-haltige Nahrungsmittel in den Fokus. Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen, Kichererbsen und Linsen, Sojaprodukte wie Sojamilch und Tofu und andere Fleischalternativen wie Seitan enthalten viel Eiweiß. Hülsenfrüchte liefern darüber hinaus Ballaststoffe, B-Vitamine, Magnesium, Kalium und Eisen sowie sekundäre Pflanzenstoffe. / Foto: PZ/Stephan Spitzer
High-Tech-Fleischimitate haben die Wissenschaftler in die Ernährungspyramiden nicht aufgenommen. »Viele Menschen kommen früher oder später zu der Erkenntnis, dass es auch ohne diese Produkte geht. Die Zutatenliste ist meist lang und teilweise problematisch«, erklärt Professor Dr. Claus Leitzmann die Entscheidung. Denn die Hersteller sind kreativ, wenn es darum geht, Produkte herzustellen, die Fleisch täuschend ähnlich sehen und schmecken. Enthalten sind oftmals viel Zucker, Salz und Fett sowie viele Zusatzstoffe. Es sind hochgradig verarbeitete Lebensmittel – von Natur so gut wie keine Spur. Nicht selten tummeln sich sogar kritische Inhaltsstoffe darin, wie regelmäßig die Produkttests von Ökotest und Stiftung Warentest zeigen. Für Kritik sorgt oft die hohe Belastung mit gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (MOSH), die sich im Körper anreichern können und in Tierversuchen zu Organschäden geführt haben. Diese Verunreinigungen stammen meist aus den Verpackungen und werden auch in Bratwürsten aus Fleisch und in anderen Lebensmitteln gefunden.
Trotzdem haben diese Produkte durchaus ihre Daseinsberechtigung. »Sie sind eine Möglichkeit für Fleischesser, ihren Fleischkonsum zu verringern«, räumt Leitzmann ein. Zudem sind manche Fleischimitate mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert und können somit einen Beitrag zur Nährstoffversorgung leisten. Außerdem können sie aufgrund des Proteingehalts und der Proteinqualität, des geringeren Gehaltes an Fett, gesättigten Fettsäuren und Cholesterol einen gesundheitlichen Nutzen bringen.
Zu diesem Ergebnis kommt etwa eine Untersuchung im Auftrag der Albert-Schweizer-Stiftung, die 80 Fleisch- und Wurstalternativen auf Basis ihrer Nähr- und Inhaltsstoffe ernährungsphysiologisch bewertet hat. Einer der Autoren ist Dr. Markus Keller, der auch die Gießener Lebensmittelpyramiden mitentwickelt hat und weltweit zum ersten Professor für vegane Ernährung berufen wurde. Er empfiehlt, aufgrund der enormen Vielfalt dieser Produkte und den Unterschieden bei den Zutatenlisten beim Kauf auf die Nährwertangaben zu achten und Bio-Produkte zu bevorzugen. So zeigte die Untersuchung, dass in ökologisch erzeugten Fleisch- und Wurstalternativen durchschnittlich ein Zusatzstoff pro Produkt enthalten war – zumeist Guarkernmehl als Bindemittel –, während es in den konventionellen Alternativprodukten im Schnitt 3,5 Zusatzstoffe waren. Aromen und Geschmacksverstärker waren in den Bio-Produkten nicht enthalten.
Die Sojabohne ist der Klassiker unter den Rohstoffen. Ihr texturiertes Protein (textured vegetable protein, TVP) schmeckt neutral und hat eine fleischähnliche, faserige Konsistenz, weshalb es Basis für zahlreiche Fleischalternativen ist. TVP gibt es auch als Trockenprodukt und muss nur in Wasser eingeweicht und weiterverarbeitet werden.
Die eiweißreiche Lupine ist eine regionale Alternative zur Sojabohne und punktet so mit einer besseren Öko-Bilanz. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) hat ihren leicht bitteren Eigengeschmack neutralisiert und das Protein für Lebensmittel nutzbar gemacht. Im Handel gibt es daraus Alternativen zu Joghurt, Dessert, Frischkäse, Milch und Eiscreme.
Andere Unternehmen haben Erbsen als Rohstoff für sich entdeckt. Das Verfahren ist streng geheim, nur so viel sei verraten: aus den Erbsen werden zunächst die Proteine extrahiert, anschließend wird ihnen mittels Hitze und Druck Textur gegeben. Den daraus entstehenden Grundstoff gibt es etwa als Hackfleisch, Nuggets oder Pulled Pork geformt und mit verschiedenen Gewürzen verfeinert.
Hanf enthält mehrfach ungesättigte Fettsäuren, darunter Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Einige Hersteller stellen daraus Taler her, die in der Pfanne angebraten werden und so die Frikadelle ersetzen.
Sogar Milch lässt sich heute zu Fleischimitaten verarbeiten. Dafür wird sie ähnlich wie bei der Käseherstellung weiterverarbeitet. Im nächsten Schritt werden Pflanzenfasern hinzugefügt, die für die feste Konsistenz und fleischartige Struktur sorgen.