Kopfschmerzen durch Schmerzmittel |
Juliane Brüggen |
05.09.2021 12:00 Uhr |
Viele Schmerz- und Migränemittel sind in der Selbstmedikation erhältlich. Die Apotheke ist daher eine wichtige Instanz, um den Übergebrauch zu verhindern oder ihn zu erkennen. Vielen Patienten ist gar nicht bewusst, dass die Einnahme der Schmerzmittel schädlich werden und zu physischen und psychischen Gesundheitsschäden führen kann. Die S3-Leitlinie „Medikamentenbezogene Störungen“ greift das Thema auf und richtet sich unter anderem an Apotheken.
Die Leitlinienautoren empfehlen, vor der Abgabe von nicht-opioiden Analgetika und Triptanen zu fragen, wie die bisherigen Erfahrungen mit Schmerz- und Migränemitteln aussehen, insbesondere im Hinblick auf die Häufigkeit der Einnahme und die Einzeldosis. Relevant ist außerdem der Hinweis, dass Patienten die Mittel ohne ärztlichen Rat nur kurzfristig und in der niedrigst möglichen Dosis einnehmen sollten. Je nach Schmerzmittel ist die Dauer auf maximal vier Tage (bei leichten bis mäßigen Schmerzen) oder maximal drei Tage (bei Fieber) begrenzt. Ist ein Patient von häufigen Kopfschmerzen betroffen, ist besonders wichtig, dass er die Analgetika nicht häufiger als zehn Tage im Monat anwendet, da sich ansonsten ein arzneimittelinduzierter Kopfschmerz entwickeln könnte.
Zu den nicht-opioiden Analgetika gehören die NSAR Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen sowie Paracetamol und Metamizol. Die Arzneistoffe sind zum Teil als Kombinationspräparate, zum Beispiel mit Koffein, im Handel. Zur Akuttherapie der Migräne stehen außerdem 5-HT1-Rezeptor-Agonisten (Triptane) wie Almotriptan oder Naratriptan zur Verfügung.
Besteht der Verdacht, dass ein schädlicher Gebrauch oder Fehlgebrauch sowie ein resultierender chronischer Kopfschmerz vorliegt, sollte das pharmazeutische Personal den Patienten der Leitlinie zufolge an einen Arzt verweisen. Die Abgabe des Medikaments zu verweigern, sei nicht zielführend, ebenso wenig wie die Umstellung auf ein anderes Schmerzmittel.
Der Arzt kann dann gemeinsam mit dem Patienten nach Lösungen suchen, zum Beispiel eine alternative Therapie und Prophylaxe oder ein professionell begleiteter Entzug in einer ambulanten oder stationären Einrichtung. Nicht-opioide Analgetika führen zwar nicht zu einer Abhängigkeit oder Entzugssymptomen, dennoch kann sich ein starkes Verlangen nach den Arzneimitteln entwickeln.
Der Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln ist entsprechend der S3-Leitlinie »Medikamentenbezogene Störungen« definiert als die zu häufige Einnahme von Medikamenten zur Behandlung akuter Kopfschmerzattacken. Die häufige oder tägliche Einnahme kann schon nach vier Wochen zum Dauerkopfschmerz führen, häufig auch erst nach Jahren.
Diagnostische Kriterien sind unter anderem das Auftreten von Kopfschmerzen an mehr als 15 Tagen pro Monat bei Patienten mit Kopfschmerzsyndrom, regelmäßiger Übergebrauch über mehr als drei Monate eines oder mehrerer Medikamente, die zur akuten oder symptomatischen Behandlung von Kopfschmerzen dienen, die Einnahme von nicht-opioiden Monoanalgetika an 15 oder mehr Tagen im Monat, die Einnahme oder Applikation von (Koffein- oder Codein-haltigen) Kombinationsanalgetika, Triptanen, Mutterkornalkaloiden oder Opioiden an zehn oder mehr Tagen pro Monat.
Etwa 40 bis 50 Prozent der Patienten mit chronischen Kopfschmerzen nehmen Schmerz- und Migränemittel übermäßig ein. Etwa 0,7 bis 1 Prozent sind in Deutschland von Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln betroffen.