Kurzsichtigkeit bei Kindern gezielt behandeln und vorbeugen |
Um dem Fortschreiten der Kurzsichtigkeit entgegenzuwirken, wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Maßnahmen entwickelt. Eine ist die Behandlung mit stark verdünnten Atropin-haltigen Augentropfen, die das Längenwachstum des Augapfels bremsen sollen. Ganz neu seit August sind in Deutschland unter dem Namen Ryjunea® o,o1-prozentige Atropinsulfat-haltige Augentropfen für Kinder erhältlich. Nach ärztlicher Verordnung einmal täglich abends getropft, sollen sie das Fortschreiten von Kurzsichtigkeit verlangsamen. Eingesetzt werden darf Ryjunea bei Kindern im Alter von 3 bis 14 Jahren mit einer Ausgangs-Kurzsichtigkeit von -0,5 bis -6,0 Dioptrien und einer bisherigen Progression von mindestens 0,5 Dioptrien pro Jahr.
Solche Augentropfen haben nun erstmals in der Europäischen Union eine Zulassung bekommen, nachdem bislang nur eine Behandlung mit individuell hergestellten Rezepturarzneimitteln möglich war. Deutschland ist das erste Land, in dem Hersteller Santen Pharmaceutical sein Präparat nun eingeführt hat.
Wie genau das Anticholinergikum das Wachstum des Augapfels beeinflusst, ist nicht bekannt. Vermutlich ist es in ein Remodelling und in eine Stärkung der Sklera involviert.
Getropft wird jeden Abend vor dem Zubettgehen für mindestens zwei Jahre. Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) rät, parallel zur Behandlung, weitere Maßnahmen zur Vorbeugung einer Kurzsichtigkeit (siehe unten) konsequent umzusetzen.
Um wieder scharf sehen zu können, brauchen kurzsichtige Menschen eine Brille oder Kontaktlinsen. Sie sind der Sehschwäche entsprechend nach innen gewölbt, also konkav, wodurch das Licht zerstreut und auf die Netzhaut fokussiert wird. Regelmäßige Kontrollen der Augen sind wichtig, um Brille und Kontaktlinsen im Bedarfsfall anpassen zu können. Noch immer kursiert das Gerücht, dass eine zu schwache Brille die Kurzsichtigkeit stoppen kann. Das Gegenteil ist jedoch der Fall; ein zu niedriger Dioptrienwert kann das Augenlängenwachstum fördern.
Gegen eine fortschreitende Kurzsichtigkeit können normale Brillen nichts ausrichten. Hier kommen seit einigen Jahren sogenannte Multisegmentbrillengläser zum Einsatz. Nach Angaben der Hersteller lässt sich durch regelmäßiges Tragen der Sehhilfe das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit um bis zu 60 Prozent verlangsamen. Erreicht wird dies durch spezielle Strukturen im Randbereich des Brillenglases, die einen sogenannten simultanen myopen Defokus setzen. Dadurch wird parallel zur scharfen Abbildung auf der Netzhaut eine weitere Abbildung erzeugt, die vor der Netzhaut liegt. Beim Seitenblick erleben Kinder nun eine Bildunschärfe, die im Alltag aber nicht als störend empfunden wird. Im Zentrum des Brillenglases befindet sich eine Fläche, die wie bei einer normalen Brille die Fehlsichtigkeit korrigiert und für scharfes Sehen in der Ferne sorgt.
Auch mit speziellen Kontaktlinsen kann versucht werden, die Kurzsichtigkeit einzudämmen. Anders als Brillen eignen sie sich jedoch noch nicht für kleine Kinder. Empfohlen werden sie ab etwa zehn Jahren, wenn das Kind gerne Kontaktlinsen tragen möchte und bereit ist, sich mit der notwendigen Hygiene im Umgang mit den Linsen zu beschäftigen. Nach Herstellerangaben lässt sich die Kurzsichtigkeit so um bis zu 40 Prozent mindern. Umfassende Studien stehen derzeit jedoch sowohl zu Kontaktlinsen als auch zu Multisegmentbrillengläsern noch aus.