Lasse ich mein Kind gegen Corona impfen – oder besser nicht? |
Für Mediziner geht es bei einer Impfung – wie bei Erwachsenen auch – zuerst um den individuellen Schutz, und erst dann um den Schutz der Gemeinschaft. Bei Kindern gilt das Selbstschutz-Argument nicht so stark wie bei Älteren: Sie erkranken deutlich seltener als Erwachsene an Covid-19, doch wenn, können auch sie vereinzelt schwere Verläufe entwickeln. Bis 23. Mai sind nach Daten der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie knapp 1550 Kinder und Jugendliche mit Covid-19 ins Krankenhaus gekommen, davon waren 37 Prozent jünger als ein Jahr. Rund 5 Prozent dieser Kinder und Jugendlichen wurden auf einer Intensivstation behandelt, 0,3 Prozent starben an Covid-19.
Angenommen wird, dass ein erheblicher Teil der Infektionen ohne oder nur mit milden Krankheitsanzeichen verläuft. Spätfolgen (Long Covid oder Post Covid), die teils auch erst Monate nach der Infektion auftreten oder sich verschlechtern, werden nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Minderjährigen beobachtet. Zur Dauer und Häufigkeit ist aber noch vieles unklar. Es habe den Anschein, dass Langzeitfolgen bei Kindern eher aufträten als die akute Erkrankung, sagte Charité-Virologe Christian Drosten kürzlich im Podcast «Coronavirus-Update».
Daneben gebe es das Zusatzproblem des pädiatrischen Multisystem-Inflammationssyndroms (PIMS), das eine Krankenhausbehandlung erfordert. Das sind Entzündungen, die Kinder etwa ab dem Grundschulalter bis zur Pubertät betreffen können. Die Datenlage zu der schweren Erkrankung, die Wochen nach einer akuten Infektion auftritt, sei unklar. Zu befürchten sei, dass das Syndrom in einem von 1000 Fällen auftrete.
Für Kinder unter zwölf Jahren rechnet STIKO-Mitglied Terhardt ohnehin nicht vor Ende des Jahres mit einem zugelassenen Impfstoff. Auch die Immunisierung von Teenagern bis 16 Jahre werde im Falle einer Zulassung dauern. Das muss aber kein Drama sein. Drosten verweist auf Daten aus Großbritannien: Vier Wochen nach den Osterferien bleibe die Infektionsrate (Prävalenz) in den Schuljahrgängen niedrig, twitterte er jüngst. «Das sieht jetzt ganz anders aus als im Teil-Lockdown November und Dezember. Damals gab es bei Kindern circa vier Mal mehr Infektionen als bei Erwachsenen.»
Die neuen Zahlen aus Großbritannien seien die Folge eines Schulbetriebs mit intensiver Testung und zunehmend geimpfter Erwachsenen-Bevölkerung sowie weit gesenkter Wocheninzidenz. «Das ist wirklich ermutigend für den Schulbetrieb. Die Impfung der Erwachsenen könnte den Ping-Pong-Effekt zwischen Schulen und Haushalten unterbrechen.» Zur Situation in Deutschland bis zum Herbst sagte Drosten, es sei zu erwarten, dass sich Eltern von Schülern impfen lassen. Diese Abschirmung der Haushalte könne hoffentlich auch den Schulbetrieb schützen, sodass dieser mit Tests offen gestaltet werden könnte.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.