Mehr Diabetes, mehr Beratungsbedarf |
Auch die Marktrücknahmen vor allem der Insuline von Novo Nordisk bringen derzeit erhöhten Beratungsbedarf mit sich. »Deshalb sollten wir spätestens jetzt notwendige Maßnahmen für eine kontinuierliche Versorgung und Umstellung treffen, um Unsicherheiten vorzubeugen.« Betroffen sind hauptsächlich – aber nicht nur – die Humaninsuline (siehe Tabelle). »Noch wird es direkte Alternativen der Firma Lilly geben. Aber auch hier wird erst die Zukunft zeigen, ob die Alternativpräparate auf dem Markt bleiben.«
Direkte Alternative | Mögliche Umstellungen | |
---|---|---|
Levemir®: Insulin detemir | ---- | Insulin glargin U 100, U 300, Insulin degludec |
Fiasp® Pumpcart | Fiasp® Durchstechflasche, Pen-Patrone | Novorapid® Pumpcart |
Actrapid®: Insulin human | Huminsulin® Normal, Berlinsulin® H Normal | Insulin aspart, Insulin lispro, Insulin glulisin, (kein Spritz-Ess-Abstand) |
Protaphane®: Insulin human verzögert | Huminsulin® Basal, Berlinsulin® H Basal | Insulin glargin U 100, U 300, Insulin degludec, Insulin icodec (kein Schwenken des Pens) |
Actraphane® 30 | Huminsulin Profil III, Berlinsulin® H 30/70 | NovoMix® 30 |
Actraphane® 50 | ---- | Humalog® Mix50, Liprolog® Mix50 |
So laufen ab dem zweiten Quartal 2025 die langwirkenden Basalinsuline Insulin detemir (Levemir®) und das NPH-verzögerte Humaninsulin Protaphane® aus. Die kurzwirksamen Humaninsuline (Actrapid®) und Mischinsuline (Actraphane®) sollen ab dem ersten Quartal 2026 eingestellt werden. Betroffen ist auch die Darreichungsform Fiasp PumpCart® mit dem Insulin-Analogon »fast acting Insulin aspart«, alle anderen Darreichungsformen von Fiasp® bleiben jedoch erhalten.
Auer-Kletzmayr bedauerte besonders das Auslaufen von Insulin detemir (Levemir). »Es ist das einzige Basalinsulinanalogon, das zweimal täglich gespritzt wird. Das gibt Sportlern oder Schichtarbeitern eine gewisse Flexibilität. Jetzt müssen sie auf Insulin glargin oder degludec umstellen, das aber nur einmal am Tag appliziert werden kann.«
Für Patienten, die bislang Humaninsuline erhalten, können Insulin-Analoga eine Alternative sein. »Diese bieten Vorteile wie eine schnellere oder verlängerte Wirkung und eine geringere Gefahr für Unterzuckerungen«, sagte die Apothekerin. Dennoch bedeute eine Umstellung immer einen Zusatzaufwand und müsse eng durch das Behandlungsteam begleitet werden. »Die Dosierungen müssen sorgfältig angepasst werden und Beratung ist wichtig, um die Handhabung neuer Insulinpens oder spezifische Eigenschaften der Analoga zu verstehen.«
»Wir müssen in der Apotheke besonders auf unsere kranken Diabetiker achten«, sagte Auer-Kletzmayr. »Infekte jedweder Art können das Glucosesystem ordentlich durcheinanderbringen. Dann reicht es nicht, das Wochenende noch abzuwarten, sondern wir müssen schneller und häufiger zum Arztbesuch raten.«
Durch eine Infektion steigen die Konzentrationen von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin an – beide klassische Gegenspieler von Insulin. Unter deren Einfluss verschlechtert sich die Stoffwechselsituation im Rahmen eines Infekts oft erheblich. Eine sich als Folge hoher Blutzuckerwerte entwickelnde Ketoazidose schadet zusätzlich der zellulären Abwehr. Bei Magen-Darm-Infekten entwickelt sich typischerweise erst eine Hypoglykämie, dann erst steigen die Glucosewerte.
Die häufige Blutzuckermessung ist dann Pflicht, etwa alle drei Stunden ist zu kontrollieren. »Es lohnt sich die Nachfrage, ob die Patienten überhaupt ein Blutglucose-Messgerät zu Hause haben«, erinnerte Auer-Kletzmayr. Für insulinpflichtige Diabetiker und solche, die SGLT-2-Hemmer einnehmen, könnte auch eine Testung auf Ketone sinnvoll sein.
Bei kritisch Kranken wird der Arzt Metformin und SGLT-2-Hemmer absetzen und auf Insulin umstellen. Anders lassen sich die Werte dann oft nicht mehr senken. Diese Maßnahme kann Typ-2-Diabetikern Angst machen. Hier gilt es zu beschwichtigen.