Mit Phytopharmaka gut beraten |
Die Hauptaufgabe für das beratende Apothekenteam bestehe darin zu begründen, warum es selbst zwischen vermeintlich Pflanzen-gleichen Zubereitungen erhebliche Qualitäts- und Preisunterschiede gibt. »PTA und Apotheker müssen vor allem nahebringen, dass es sich bei einem geprüften Phytopharmakon nicht um eine zerkleinerte Pflanze handelt, sondern um einen Extrakt, bei dem etwas angereichert wurde, um überhaupt auf die Menge der benötigten Inhaltsstoffe zu kommen.« 900 mg Johanniskrautpulver entsprächen eben nicht 900 mg Johanniskraut-Trockenextrakt. »Eine Filmtablette eines ethanolischen Johanniskraut-Trockenextrakts mit einem Droge-Extrakt-Verhältnis von 3 – 6:1 entspricht dann rein rechnerisch etwa 3 bis 6 Johanniskraut-Dragees«, wählte sie ein Beispiel. »Wer eine höchstmögliche Dosierung wirksamkeitsbestimmender Inhaltsstoffe haben möchte, muss den Extrakt und nicht die gepulverte Droge nehmen.«
Zudem wird mit dem Lösungsmittel selektiert, welche Bestandteile in den Extrakt gelangen. Schließlich handelt es sich bei Phytopharmaka per Definition um Vielstoffgemische. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, wie etwa beim Ginkgo-Extrakt die Abreicherung von Ginkgolsäuren. »Solche Prozesse machen ein Präparat dann eben auch teurer.« Das bedeutet auch: Den bestimmten Extrakt einer Arzneipflanze gibt es nicht. Extrakte sind Unikate. »Generika gibt es im Phytobereich nicht«, so Köstner.
Es ist das konkrete Herstellungsverfahren, das die Qualität eines Phytopharmakons ausmacht. Streng reproduzierbare Bedingungen und die Standardisierung eines patentierten Spezialverfahrens gewährleisten dabei die gleichbleibend hohe Qualität eines Spezialextrakts. Auf diesem Gebiet hat sich Schaper & Brümmer in den vergangenen 100 Jahren einen Namen gemacht. Darüber hinaus sind pharmakologische Untersuchungen und Studienergebnisse zu Wirksamkeit und Verträglichkeit extraktspezifisch und lassen sich nicht auf andere Extrakte übertragen.
Der Markt von pflanzlichen Präparaten sei für Verbraucher extrem intransparent, kritisierte Köstner. Das betreffe nicht nur ihre Qualität, sondern auch ihren rechtlichen Status. In der Tat: Nur die sogenannten rationalen Phytopharmaka müssen laut Arzneimittelgesetz auf die gleiche Weise wie chemisch-synthetische Medikamente ihre Wirksamkeit, Sicherheit und pharmazeutische Qualität mit wissenschaftlichen Methoden belegen, um behördlich zugelassen zu werden.
Zum Hintergrund: Derzeit beinhalten aus regulatorischer Sicht die HMPC-Monographien (HMPC: Committee on Herbal Medicinal Products) des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Die nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten sollen sie bei der Bewertung von Anträgen auf Zulassung (well-established use) beziehungsweise Registrierung (traditional use) von pflanzlichen Arzneimitteln zugrunde legen. Die Monographien sind nicht unmittelbar bindend, werden aber rechtlich als Empfehlung angesehen.
Zur Heterogenität des Marktes trägt bei, dass es zusätzlich traditionelle Präparate gibt, die auf der Basis tradierten Wissens nach dem ehemaligen § 109a Arzneimittelgesetz registriert wurden, die aber hinsichtlich der wissenschaftlich begründeten Indikation von Gesetzes wegen deutlich unterdosiert sind. »Das sind die Präparate, die im Supermarkt stehen, vermeintlich preisgünstiger, aber auch viel geringer dosiert sind.«