Mit Phytopharmaka gut beraten |
Pflanzenkraft, die wirkt: Bei modernen evidenzbasierten Phytopharmaka ist die Qualität verbürgt. / Foto: Getty Images/AlexRaths
Rationale Phytopharmaka, die ihre Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit mit validen Studien untermauern können, sieht Apothekerin Katja Köstner als wichtigen Baustein der Schulmedizin. »Wir brauchen gut geprüfte Phytopharmaka. Es sind hochwertige, sichere und wirksame Arzneimittel. Sie sind eine wichtige Säule der Therapievielfalt«, sagte sie. Das betreffe zum Beispiel die Therapie von akuten unkomplizierten Harnwegsinfekten. »Nicht immer ist ein Antibiotikum erforderlich. Behandelnde Ärzte sind laut Leitlinie dazu angehalten, ein Antibiotikum auf Stand-by zu verordnen und zunächst pflanzliche Alternativen wie Extrakte aus Bärentraubenblättern einzusetzen«, erklärte sie.
Pflanzliche Arzneimittel liegen im Trend, sie entsprechen dem Zeitgeist. Mehr als 100 Millionen verkaufte Packungen und weit über 1 Milliarde Euro Umsatz pro Jahr in Deutschland sprächen für sich, nannte die Referentin Daten von 2021. »Da der Großteil pflanzlicher Arzneimittel in der Selbstmedikation zum Einsatz kommt, eröffnet sich besonders für die Apotheke die Chance, ihre Beratungskompetenz unter Beweis zu stellen.« Den Großteil der Kundschaft bezeichnete Köstner als »Phyto-affin«.
Angesichts der verwirrenden Vielfalt pflanzenbasierter Präparate sei es wichtig, im Kundengespräch auf die Unterschiede der Zubereitungen aufmerksam zu machen. Den Kunden sei bezüglich der Qualität und des Wirksamkeitsnachweises jedoch kein Unterschied zwischen den Präparaten bewusst. »Der Markt ist mit seinen pflanzlichen Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika extrem unübersichtlich. Das Apothekenteam ermöglicht eine Differenzierung«, so Köstner.
Sie sieht die Phytokompetenz eindeutig beim pharmazeutischen Personal in der Apotheke vor Ort. »PTA erwerben bereits in ihrer Ausbildung in der Drogenkunde umfangreiches Wissen über pflanzliche Drogen, deren Wirkungen, Indikationen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Und während des Pharmaziestudiums umfassen annähernd 15 Prozent der Vorlesungen und Übungen des universitären Studienteils das Fach Pharmazeutische Biologie. Das Pflanzenwissen reicht von der Pflanze über den Extrakt bis hin zur Evidenz der therapeutischen Anwendungen.«
Die Hauptaufgabe für das beratende Apothekenteam bestehe darin zu begründen, warum es selbst zwischen vermeintlich Pflanzen-gleichen Zubereitungen erhebliche Qualitäts- und Preisunterschiede gibt. »PTA und Apotheker müssen vor allem nahebringen, dass es sich bei einem geprüften Phytopharmakon nicht um eine zerkleinerte Pflanze handelt, sondern um einen Extrakt, bei dem etwas angereichert wurde, um überhaupt auf die Menge der benötigten Inhaltsstoffe zu kommen.« 900 mg Johanniskrautpulver entsprächen eben nicht 900 mg Johanniskraut-Trockenextrakt. »Eine Filmtablette eines ethanolischen Johanniskraut-Trockenextrakts mit einem Droge-Extrakt-Verhältnis von 3 – 6:1 entspricht dann rein rechnerisch etwa 3 bis 6 Johanniskraut-Dragees«, wählte sie ein Beispiel. »Wer eine höchstmögliche Dosierung wirksamkeitsbestimmender Inhaltsstoffe haben möchte, muss den Extrakt und nicht die gepulverte Droge nehmen.«
Zudem wird mit dem Lösungsmittel selektiert, welche Bestandteile in den Extrakt gelangen. Schließlich handelt es sich bei Phytopharmaka per Definition um Vielstoffgemische. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, wie etwa beim Ginkgo-Extrakt die Abreicherung von Ginkgolsäuren. »Solche Prozesse machen ein Präparat dann eben auch teurer.« Das bedeutet auch: Den bestimmten Extrakt einer Arzneipflanze gibt es nicht. Extrakte sind Unikate. »Generika gibt es im Phytobereich nicht«, so Köstner.
Es ist das konkrete Herstellungsverfahren, das die Qualität eines Phytopharmakons ausmacht. Streng reproduzierbare Bedingungen und die Standardisierung eines patentierten Spezialverfahrens gewährleisten dabei die gleichbleibend hohe Qualität eines Spezialextrakts. Auf diesem Gebiet hat sich Schaper & Brümmer in den vergangenen 100 Jahren einen Namen gemacht. Darüber hinaus sind pharmakologische Untersuchungen und Studienergebnisse zu Wirksamkeit und Verträglichkeit extraktspezifisch und lassen sich nicht auf andere Extrakte übertragen.
Der Markt von pflanzlichen Präparaten sei für Verbraucher extrem intransparent, kritisierte Köstner. Das betreffe nicht nur ihre Qualität, sondern auch ihren rechtlichen Status. In der Tat: Nur die sogenannten rationalen Phytopharmaka müssen laut Arzneimittelgesetz auf die gleiche Weise wie chemisch-synthetische Medikamente ihre Wirksamkeit, Sicherheit und pharmazeutische Qualität mit wissenschaftlichen Methoden belegen, um behördlich zugelassen zu werden.
Zum Hintergrund: Derzeit beinhalten aus regulatorischer Sicht die HMPC-Monographien (HMPC: Committee on Herbal Medicinal Products) des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Die nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten sollen sie bei der Bewertung von Anträgen auf Zulassung (well-established use) beziehungsweise Registrierung (traditional use) von pflanzlichen Arzneimitteln zugrunde legen. Die Monographien sind nicht unmittelbar bindend, werden aber rechtlich als Empfehlung angesehen.
Zur Heterogenität des Marktes trägt bei, dass es zusätzlich traditionelle Präparate gibt, die auf der Basis tradierten Wissens nach dem ehemaligen § 109a Arzneimittelgesetz registriert wurden, die aber hinsichtlich der wissenschaftlich begründeten Indikation von Gesetzes wegen deutlich unterdosiert sind. »Das sind die Präparate, die im Supermarkt stehen, vermeintlich preisgünstiger, aber auch viel geringer dosiert sind.«
Auch der Unterschied zu Nahrungsergänzungsmitteln sei regelmäßig Gegenstand in einem Phyto-Beratungsgespräch. Köstner, die auch als Apothekencoach arbeitet, machte das am Beispiel von Traubensilberkerzen-haltigen Zubereitungen deutlich. Während sich Remifemin® mit seinem isopropanolischen Cimicifuga-racemosa-Spezialextrakt aufgrund hervorragender Studienlage zur leitliniengerechten Behandlung von menopausalen Beschwerden eignet, bieten Traubensilberkerze-haltige Nahrungsergänzungsmittel etwa aus dem Internet laut Köstner keinen Wirksamkeitsbeleg.
»Nahrungsergänzungsmittel unterliegen dem Lebensmittelgesetz. Es existieren keine Studien. Die Beurteilung der Sicherheit und Verträglichkeit ist nicht möglich. Angaben zum Extraktionsmittel und zum enthaltenen Pflanzenbestandteil sind nicht bindend, genauso wie die Angabe des Droge-Extrakt-Verhältnis.« Auch was die Menge der Inhaltsstoffe betrifft, werde es bei Nahrungsergänzungsmitteln reichlich unkonkret: »Die tatsächliche Menge im Produkt kann 50 Prozent und mehr von der Angabe auf der Verpackung abweichen«, führte Köstner aus. Mit geprüften Extrakten aus der Apotheke sei man in jedem Falle besser beraten.