Neue Arzneimittel – im Mai gleich zwei |
Sven Siebenand |
29.05.2020 13:00 Uhr |
Naldemedin (Rizmoic® Filmtabletten, Hexal) ist ein weiterer, peripher wirkender μ-Opioidrezeptor-Antagonist (PAMORA). Diese blockieren die peripheren μ-Opioid-Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt und wirken so einer Opioid-induzierten Verstopfung entgegen, ohne die ZNS-vermittelten Opioideffekte aufzuheben. Auch Methylnaltrexon (Relistor®) und Naloxegol (Moventig®) gehören in diese Arzneistoffgruppe.
Naldemedin ist ein Naltrexon-Derivat, dessen Fähigkeit zur Überquerung der Blut-Hirn-Schranke durch chemische Modifikation verringert ist. Zudem ist Naldemedin ein Substrat des P-Glykoprotein-Transporters, der möglicherweise ebenfalls daran beteiligt ist, dass die Fähigkeit in das ZNS einzudringen, herabgesetzt ist.
Naldemedin darf Patienten, die unter Opioid-induzierten Verstopfung leiden und zuvor mit einem Abführmittel behandelt wurden, verschrieben werden. Wie Naloxegol ist der neue Arzneistoff oral bioverfügbar. Die empfohlene Dosis ist eine 200-µg-Tablette einmal täglich. Der Patient kann sie mit oder ohne ein Abführmittel einnehmen, muss das Medikament aber absetzen, sobald er kein Opioid mehr anwendet. Der Patienten sollte das Medikament möglichst immer zur gleichen Uhrzeit einnehmen. Die Tageszeit kann er jedoch frei wählen.
Die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen waren gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall und Bauchschmerzen. Die Mehrheit dieser Nebenwirkungen war leicht bis mittelschwer und bildete sich ohne Absetzen der Naldemedin-Behandlung zurück. Bei Patienten mit einem Darmverschluss oder Darmdurchbruch oder bei Patienten mit einem hohen Risiko für einen Darmverschluss ist das Präparat kontraindiziert. Laut Fachinformation haben Patienten mit Störungen der Blut-Hirn-Schranke ein erhöhtes Risiko, ein Opioidentzugs-Syndrom zu entwickeln.
Aufgrund der begrenzten therapeutischen Erfahrungen bei Personen ab 75 Jahren sollte die Therapie mit Naldemedin bei diesen Patienten vorsichtig eingeleitet werden. Bei Patienten mit schwer eingeschränkter Leberfunktion wird die Anwendung nicht empfohlen, Patienten mit schwerer Nierenfunktionsstörung sollten gut überwacht werden.
Die gleichzeitige Anwendung des PAMORA mit starken CYP3A-Inhibitoren kann zum Anstieg der Naldemedin-Spiegel führen, was das Risiko für Nebenwirkungen erhöht. Die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A-Inhibitoren sollte daher vermieden werden. Andersrum wird auch die gleichzeitige Anwendung mit starken CYP3A-Induktoren nicht empfohlen, da dies zu einer verminderten Wirksamkeit des PAMORA führen kann.
Die Anwendung von Naldemedin kann aufgrund der noch nicht ausgereiften Blut-Hirn-Schranke beim ungeborenen Kind einen Opioidentzug bei diesem hervorrufen. Während der Schwangerschaft darf der Wirkstoff deshalb nicht angewendet werden, es sei denn, dass eine Behandlung aufgrund des klinischen Zustandes der Frau unbedingt erforderlich ist. Ein Risiko für das gestillte Kind kann nicht ausgeschlossen werden, weshalb der neue Arzneistoff nicht von stillenden Mütter angewendet werden sollte.