Neue Leitlinie Kniearthrose |
Bei einer Kniearthrose wird der Knorpel im Kniegelenk nach und nach abgebaut. Das führt auf Dauer zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. / © Getty Images/Penpak Ngamsathain
Die Kniearthrose, medizinisch Gonarthrose, ist die häufigste Form der Arthrose – rund 7 Prozent der Bevölkerung leiden nach Angaben der Krankenkasse AOK darunter – und gilt als Volkskrankheit. Typischerweise beginnt sie, meist bei Menschen über 40, mit Knieschmerzen, die zunächst nur bei Belastung auftreten. Im Laufe der Zeit schmerzt es aber auch in Ruhe, häufiger und stärker. Später können auch andere Beschwerden dazukommen wie etwa steife Gelenke. Je nachdem, welcher Teil des Knies betroffen ist, schmerzt eher die Innen- oder Außenseite; wenn der Bereich unter der Kniescheibe betroffen ist, schmerzt es vor allem beim Aufstehen von einem Stuhl und beim Treppensteigen.
In der Regel entwickelt sich eine Gonarthrose schleichend und verläuft über Jahre mit wiederkehrenden entzündlichen Schüben. Dabei baut sich nach und nach Knorpelgewebe im Kniegelenk ab, was dazu führt, dass die Knochen von Ober- und Unterschenkel, die normalerweise vom Knorpelgewebe abgepuffert werden, stärker aufeinander reiben. Diese Reibung löst Entzündungen aus, die die Beweglichkeit einschränken und dazu führen können, dass sich das Gelenk verändert. So wird der Knochen unter dem Knorpel durch den Knorpelverlust dichter und härter und es können sich Auswüchse an den Rändern der Knochen bilden, sogenannte Osteophyten. Diese schränken die Beweglichkeit ein und reizen Sehnen und Bänder, was zu Schmerzen führt.
Schäden am Meniskus, schwächere Muskeln und gelockerte Bänder sind weitere mögliche Folgen einer fortgeschrittenen Kniearthrose. Zudem kann sich ein Gelenkerguss bilden, der ebenfalls schmerzhaft sein kann. Besonders gefährdet sind Frauen, ältere Menschen sowie solche mit Übergewicht, Fehlstellungen des Knies oder früheren Knieverletzungen.
»Die neu überarbeitete S3-Leitlinie beruht nicht nur auf dem Konsens der beteiligten Autoren, sondern auch auf wissenschaftlicher Evidenz«, verdeutlicht Professor Dr. Andreas Matthias Halder, Mitautor der Leitlinie und Vorsitzender der Leitlinienkommission der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), im Gespräch mit PTA-Forum. Deshalb würden einige Behandlungsmethoden wie etwa die Elektrotherapie oder Glucosamin nicht mehr empfohlen, was aber nicht bedeute, dass sie in Einzelfällen nicht wirksam sein können, so Halder. Vor allem legen die neuen Empfehlungen größeren Wert auf Prävention und die Eigenverantwortung der Patienten bei der Behandlung. »Wir haben da auch unbequeme Wahrheiten reingeschrieben«, berichtet der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie an den Sana Kliniken Sommerfeld.
So macht die Leitlinie sehr deutlich, dass Bewegung und Gewichtsreduktion zentraler Bestandteil einer individuell angepassten Therapie sind. Im Gesundheitssystem Großbritanniens etwa habe dieser Gedanke schon lange Einzug gehalten: »Dort bekommt niemand eine Prothese, der oder die nicht zuvor ein Jahr lang unter Anleitung beziehungsweise Aufsicht den eigenen Lebensstil im Hinblick auf Ernährung und Bewegung gesundheitsförderlich gestaltet hat – was im Übrigen häufig die Situation so verbessert, dass eine Prothese nicht mehr nötig ist.«
Solch einen Zugang findet Halder auch aus eigener Erfahrung sinnvoll, gerade beim Thema Prothesen: Sie brächten zwar den großen Vorteil bezüglich der Schmerzfreiheit, sollten aber erst eingesetzt werden, wenn konservative Behandlungsansätze nicht gefruchtet haben. Denn die so erzielte Schmerzfreiheit gehe häufig mit Problemen einher: »Eine Prothese kann sich lockern und weitere Operationen notwendig machen, die Infektionsgefahr besteht, und sie kann merklich klappern – das machen sich viele Betroffene im Vorfeld nicht klar.«