Neue psychoaktive Substanzen |
Barbara Döring |
02.07.2025 12:00 Uhr |
Neue psychoaktive Substanzen haben oft eine ähnliche Wirkung wie bekannte Drogen, sind aber in ihrer Stärke unberechenbar. / © Adobe Stock/LIGHTFIELD STUDIOS
»Mein Kopf sackte immer weg, ich hatte kalten Schweiß auf dem Rücken und einen Puls von 160«, so beschreibt ein 25-Jähriger seine Symptome, nachdem er an der E-Zigarette eines Bekannten gezogen hatte. Was er nicht wusste: Im Vape befand sich kein gängiges Liquid, sondern die neue Droge »Görke«. Dabei handelt es sich um ein synthetisches Cannabinoid, das ähnlich wirkt wie Cannabis, jedoch um ein Vielfaches stärker. Der Mann bekam Panikattacken und vermutete einen epileptischen Anfall. Man hätte in dem Moment alles mit ihm machen können, beschreibt er seinen völlig hilflosen Zustand.
Synthetische Cannabinoide wie Görke, auch Baller-Liquid genannt, die immer häufiger von sich reden machen, zählen zu den »Neuen psychoaktiven Substanzen« (NPS), die auch als Designer-Drogen, Chemical-Drugs oder Legal Highs bezeichnet werden. Seit gut zehn Jahren tauchen stetig neue Stoffe auf dem Drogenmarkt auf. Um der Illegalität zu entgehen, lassen sich Drogenmixer immer wieder neue Verbindungen einfallen, die von einer illegalen Substanz nur leicht abweichen und somit die Suchtstoffgesetze der Europäischen Union unterlaufen.
Die entsprechenden Stoffgruppen sind in der wissenschaftlichen Literatur gut beschrieben und relativ leicht zu synthetisieren beziehungsweise abzuwandeln. Reizvoll für Drogenkartelle und Dealer: Die Wirkung auf die Psyche bleibt bei den neu entstandenen chemischen Strukturen erhalten und kann sich sogar noch verstärken, ohne dass der Verkauf strafbar wäre. Ist eine Substanz zudem nicht illegal, kann bei Konsumenten der Eindruck entstehen, sie sei harmlos.
In Europa sind inzwischen etwa 1000 verschiedene NPS im Umlauf, zu viele, um von der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht analysiert werden zu können. Zwar gibt es seit November 2016 das Neue-psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NpSG), in dem nicht einzelne Stoffe wie im Betäubungsmittelgesetz, sondern ganze Stoffgruppen, inklusive davon abgeleitete Verbindungen, festgehalten sind. Allerdings ist das Gesetz umstritten, da immer wieder alternative Substanzen auf den Markt kommen, die den definierten Stoffklassen nicht entsprechen. Dem versucht die Regierung zu begegnen, indem das NpSG stetig aktualisiert und um neue Stoffgruppen erweitert wird.
Ein zusätzliches Problem ist, dass die neuen Drogen oft in harmlos erscheinenden Verpackungen – etwa in bunten Tütchen als Badesalz oder Kräuter- und Räuchermischung oder pinkfarbenem Pulver angeboten werden oder unauffällig mit dem Vaper zu konsumieren sind. Über Online-Shops sind viele davon leicht zu beziehen. Das kann darüber hinwegtäuschen, dass der Konsum fatale Folgen haben kann. Neben heftigem Erbrechen und Herzrasen sind Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellungen möglich, Orientierungsverlust und Ohnmacht, Kreislaufversagen und Atemdepression. In Deutschland standen laut dem Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen 90 Todesfälle in direktem Zusammenhang mit dem Konsum von NPS.
Neue psychoaktive Substanzen lassen sich in verschiedene Gruppen unterteilen: Phenethylamine, Tryptamine, synthetische Cannabinoide, Pflanzen mit psychotroper Wirkung und synthetische Opioide. Auch abgewandelte Ketamine und Benzodiazepine lassen sich darunter einordnen. Phenethylamine sind auch als »Badesalz-Drogen« bekannt. Dealer vertreiben sie auch unter der Bezeichnung »Düngerpillen«. Sie werden meist »gesnieft« oder geschluckt und wirken über Rezeptoren für körpereigene Phenethylamine wie Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin aufputschend und zum Teil halluzinogen. Herkömmliche Drogen aus dieser Gruppe sind (Meth-)Amphetamin und Meskalin. Inzwischen gibt es zahlreiche Varianten, die von Phenethylamin abgeleitet sind, wie synthetische Cathinone oder MDMA. Sie dienen vor allem als Ersatz für Amphetamin, Kokain und Ecstasy.