Nicht nur nervig |
Ob es in manchen Jahren mehr Wespen gebe als in anderen, sei schwer zu bewerten, so von Orlow. Studien hierzu fehlen. Oft sei dies ein subjektiver, lokaler Eindruck: Bei Schönwetter sitzen wir eher draußen am reich gedeckten Tisch als bei Regen und nehmen dann auch mehr Wespen wahr. Wie viele Wespen es in einem Jahr gibt, hängt auch davon ab, wie viele Jungköniginnen, als einzige Wespen ihrer Art, in einem Erdloch oder im Totholz in Winterstarre erfolgreich überwintern und im Frühjahr ein Nest gründen.
»Bei neun von zehn Jungköniginnen klappt die Nestgründung nicht«, klärt von Orlow auf. Sie werden von Vögeln gefressen, sterben durch nass-kaltes Wetter oder im Kampf untereinander, nehmen sich gegenseitig die Nester weg (Kuckuckswespe) oder der Mensch verhindert den Nestbau, indem er die ersten Waben abbricht. Außer bei Hornissen sei dies legitim.
»Die Schwäche für Süßes und Fleischiges von Gemeiner und Deutscher Wespe bringt alle anderen Arten in Verruf, obwohl diese unkomplizierte Mitbewohner sind«, sagt von Orlow. Viele Menschen fühlten sich aber aus Unkenntnis durch eine Wespe jeglicher Art bedroht und möchten Wespennester, wenn sie sie entdecken, am liebsten sofort entfernen.
Auf jeden Fall solle man das Nest nicht selbst zerstören, sondern einen Kammerjäger bestellen, rät von Orlow. Auch solle man abwägen, ob das Nest wirklich störe. Denn die Gemeine und Deutsche Wespe bauen ihres vor allem in Verschalungen oder Erdlöchern. Dies bekomme man meist nicht mit. Die Völker der meisten anderen Wespenarten sterben früher als diese beiden Arten wieder ab. Deren Nest ist also nur für eine kurze Zeit da.
Der Lebenszyklus der Kurzkopfwespen, zu denen Gemeine und Deutsche Wespe zählen, beginnt im Mai mit der Nestgründung durch die im letzten Sommer durch Drohnen (männliche Wespen eines anderen Volkes) besamte Jungkönigin. Er endet frühestens Mitte Oktober mit dem Absterben des Volkes beim ersten Frost (außer den Jungköniginnen). Der Lebenszyklus der Langkopfwespen beginnt im April und endet bereits Mitte/Ende August. »Vielleicht kann man es tolerieren, eine bestimmte Fläche wie den Schuppen für diese kurze Zeit nicht zu nutzen, wenn dort ein Nest hängt«, sagt von Orlow.
Triftige Gründe, die für eine Entfernung oder Umsiedlung des Nestes sprechen, sind etwa wenn sich die Wespen in die Wärmedämmung des Hauses eingenistet haben und diese dabei zerstören oder weil sich ihr Nest am Hauseingang oder Balkon eines Wespengift-Allergikers befindet. »Ich empfehle allen, sich erst einmal über die Lebensart der Wespen zu informieren, anstatt sie sofort wahllos zu töten«, lautet von Orlows Plädoyer für die schlanken, gelb-schwarz gestreiften Hautflügler.
Wespen sehen mit ihren Facettenaugen schlechter als Menschen. Daher landen sie nicht direkt, sondern im Schwirrflug etwa auf dem Essen. Um scharf sehen zu können, müssen sie schnell fliegen. Deshalb sausen sie auch schnell um unseren Kopf, wenn sie sehen wollen, was sich da gerade bewegt hat. Wir deuten dieses Verhalten fälschlicherweise als aggressiv. Da Wespen nicht in der visuellen, sondern in der Geruchswelt zuhause sind, sind sogannte Wespenballons als Attrappe für ein existierendes Wespennest wirkungslos. Im Gegenteil: Wespen gründen mit Vorliebe dort ihr neues Nest, wo es »nach Wespe riecht«, also wo bereits Nester sind. Sie werten dies als Erfolgsgarant für einen guten Standort und eine erfolgreiche Aufzucht ihrer Nachkommen.
Abgesehen von Allergikern (Notfallmedikament immer dabei haben!) sind Wespenstiche in der Regel zwar schmerzhaft, aber harmlos. Von der Giftigkeit sind sie mit denen von Hornissen und Bienen vergleichbar. Hält der Schmerz länger an und bleibt der Stich geschwollen, einen Arzt aufsuchen. Eine bakterielle Infektion kann vorliegen.