Optimismus beim Impfstoff gegen Corona |
Ausgerechnet in Großbritannien und China, wo es Projekte mit vergleichsweise großem Fortschritt gibt, ist das Virus aber eingedämmt. Daher finden Phase III-Studien zu zwei dieser Impfstoff-Kandidaten in einem Land statt, in dem das Virus weiterhin wütet: Brasilien. Besonders weit sind das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca und die Universität Oxford. Gemeinsam hatten sie am 20. Juni damit begonnen, an rund 5000 Freiwilligen die Wirksamkeit ihres Impfstoffs zu prüfen. Er basiert auf bestimmten manipulierten Viren, die eigentlich bei Affen vorkommen.
Heute will auch der chinesische Pharmakonzern Sinovac in Brasilien mit einem Test an fast 9000 Angestellten aus dem Gesundheitssektor starten. Sinovac setzt dabei auf abgetötete Coronaviren. Weitere Unternehmen wie der US-amerikanische Hersteller Moderna stehen in den Startlöchern.
Auch deutsche Firmen mischen mit. So legte erst kürzlich die Mainzer Firma Biontech in Kooperation mit dem US-amerikanischen Konzern Pfizer erste ermutigende Daten vor. Die Tübinger Firma Curevac kann sich vor Freiwilligen für eine erste Studie kaum retten. Beide deutschen Firmen arbeiten an sogenannten RNA-Impfstoffen. Sie enthalten genetische Informationen des Erregers. Die Körperzellen der geimpften Probanden sollen mit ihrer Hilfe Oberflächenproteine des Coronavirus herstellen, gegen die schließlich das Immunsystem Abwehrfaktoren wie beispielsweise Antikörper bildet. Allerdings ist bislang kein genbasierter Impfstoff für Menschen zugelassen.
Die unterschiedlichen Funktionsweisen der Impfstoffkandidaten haben Vor- und Nachteile. Das Ziel ist dasselbe: Eine Immunreaktion gegen das Virus soll provoziert werden, ohne dass eine Infektion stattgefunden hat. Dadurch soll ein längerfristiger Schutz entstehen.
Unklar ist, ob und wie lange durch eine Impfung gebildete Antikörper überhaupt etwas bringen. So weisen mehrere Studien darauf hin, dass Antikörper nach einer Infektion relativ schnell wieder aus dem Blut verschwinden können. Ist das bei einer Impfung genauso? Und was heißt das dann für die Schutzwirkung?
Man beobachte die Ergebnisse sehr genau, sagt Swaminathan von der WHO. Die Tatsache, dass neutralisierende Antikörper verschwinden, bedeute aber nicht, dass die Immunität weg sei. Es gebe Berichte, dass die zellenvermittelte Immunantwort – die T-Zellen-Antwort – ziemlich wichtig sein könnte.
Auch Ulbert setzt bei der Immunantwort auf T-Zellen. T-Zellen sind weiße Blutkörperchen (Lymphozyten), die als «Gedächtniszellen» gelten. Sie sind ein wichtiger Indikator, dass ein möglicher Immunschutz auch langfristig erhalten bleibt. Sie könnten Virus-infizierte Zellen in Schleimhäuten direkt ausschalten – und Sars-CoV-2 schon im Rachen bekämpfen, unterstützt von Antikörpern. Vergangene Woche hatten Medien berichtet, dass der Impfstoff aus Großbritannien auch die Bildung von T-Zellen ankurbeln kann. Ähnliches berichten auch Biontech und Pfizer. Ihre klinische Studie in Deutschland habe gezeigt, dass der Impfstoffkandidat BNT62b1 zu einer verstärkten Bildung sogenannter T-Zellen führe.
Es kann auch durchaus sein, dass regelmäßiges Impfen nötig sein wird. «Es ist sehr gut, dass wir so viele verschiedene Ansätze haben», sagt WHO-Forscherin Swaminathan. Abhängig von ihrem Mechanismus könnten sie möglicherweise für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen – etwa älteren Menschen, schwangere Frauen oder Kindern – gut geeignet sein.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.