Phytos gewinnen bei Blasenentzündung an Bedeutung |
Immer wieder Harnwegsinfekte? Die Autoren der aktualisierten Leitlinie wollen weg von unnötigen Antibiotikagaben. / © Getty Images/grinvalds
Nach sieben Jahren hat die Leitlinie zum Management von unkomplizierten Harnwegsinfektionen ein Update bekommen. Die Neuerungen standen unter der Prämisse, den bei dieser Indikation verbreiteten Antibiotikaverbrauch zu reduzieren und damit einen Beitrag zur Vermeidung von Resistenzen zu leisten. Deshalb arbeitete die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) erstmals unter anderem mit den Deutschen Gesellschaften für Geriatrie (DGG) und für Naturheilkunde (DGNHK) sowie mit der Gesellschaft für Phytotherapie (GPT) zusammen.
Dies schlägt sich nun auch deutlich in den angepassten Empfehlungen der Leitlinienautoren nieder. So sprechen sie sich dafür aus, generell nicht antibiotische Therapien stärker zu berücksichtigen. Darüber hinaus werden erstmals Patienten über 70 Jahre als eigene Patientengruppe aufgeführt. Besondere Umstände hinsichtlich Diagnose und Behandlung machten dies notwendig. Bei den Therapieoptionen unterscheiden die Experten zudem zwischen nicht schwangeren Frauen in der Prämenopause, Schwangeren, Frauen in der Postmenopause, jüngeren Männern und Diabetikern mit gut eingestellter Stoffwechsellage.
Eine Zystitis gilt dann als unkompliziert, wenn im Harntrakt keine funktionellen oder anatomischen Störungen wie Harnröhrenverengungen oder eine Blasenentleerungsstörung vorliegen. Zudem dürfen keine Nierenfunktionsstörungen und keine Begleiterkrankungen wie Diabetes vorhanden sein, die urogenitale Beschwerden begünstigen. Die unkomplizierte Infektion ist meistens die Folge von Infektionen der Harnblase mit Escherichia coli der Darmflora. Auch bei rezidivierenden Episoden ist nicht mit schwerwiegenden Komplikationen zu rechnen. Harnwegsinfekte bei Männern gelten in der Regel als kompliziert, da die Prostata mit betroffen sein kann, und müssen immer differenziert abgeklärt werden.
Im Vordergrund der Behandlung einer akuten unkomplizierten Harnwegsinfektion steht die schnelle Linderung der Symptome. Dazu »sollte« nicht geriatrischen Patienten laut der aktualisierten Leitlinie eine alleinige nicht antibiotische Therapie empfohlen werden, wofür Ibuprofen, Diclofenac und einige pflanzliche Arzneimittel infrage kommen. In der Vorgängerversion hieß es noch, diese »können« erwogen werden. Insofern haben die Leitlinienautoren ihren Empfehlungsgrad um eine Stufe erhöht (»kann« < »sollte« < »soll«). Die Leitlinie richtet sich ausdrücklich auch an das pharmazeutische Personal als Teil der Behandlungsstrategie.
Die Verschiebung in den Empfehlungen zugunsten der rein symptomatischen Therapieoptionen basiert auf den Ergebnissen einer Reihe von Studien. Diese verglichen die Heilungsraten des Infekts bei einer Therapie mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR), D-Mannose oder Phytopharmaka mit einer sofortigen Gabe eines Antibiotikums. Die nicht antibiotische Therapie habe in den meisten Studien zwar schlechter abgeschnitten als die Antibiotikatherapie, vor allem was die vollständige Heilung oder die Vermeidung einer Nierenbeckenentzündung betrifft, zeige jedoch insgesamt gute Heilungsergebnisse, heißt es in der Leitlinie. In den Studien konnte durch den Einsatz von NSAR oder Phytopharmaka häufig auf eine Antibiose verzichtet werden.
Unter den pflanzlichen Präparaten werden solche mit Bärentraube (Uva Ursi) und die Dreierkombination aus Liebstöckel, Rosmarin und Tausendgüldenkraut (BNO 1045; Anmerkung der Redaktion: entspricht den Präparaten Canephron® N und Canephron® uno) aufgrund ihrer guten Studienergebnisse gesondert aufgeführt. Eine schwache Empfehlung gibt es für Cranberry-haltige Präparate, D-Mannose oder Escherichia-coli-Extrakte (wie Uro-Vaxom®) zur Prävention von häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen. Für Frauen in den Wechseljahren sind auch Östrogen-haltige Cremes eine Option, um die Vaginalschleimhaut zu stärken.
Unter den Antibiotika werden nun bei der unkomplizierten Zystitis Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Pivmecillinam empfohlen. Trimethoprim gilt nicht als Mittel der ersten Wahl, wenn die lokale Resistenzsituation von E. coli bei mehr als 20 Prozent liegt. Cefpodoxim-Proxetil und Cotrimoxazol werden generell nicht als Mittel der ersten Wahl eingestuft. Fluorchinolone sollen nur dann verschrieben werden, wenn die Antibiotika der ersten Wahl als ungeeignet angesehen werden.