Proteine sind Bausteine des Lebens |
Wichtige Baustoffe: Proteine sind nicht nur für Aufbau und Erhalt der Muskulatur enorm wichtig. / Foto: Adobe Stock/airborne77
Im 19. Jahrhundert wurde vom Altgriechischen protos – das Erste, das Wichtigste – der Name Protein abgeleitet. Proteine sind als Baustoffe hauptverantwortlich für eine Vielzahl von Vorgängen im menschlichen Organismus. Ungefähr 15 Prozent unseres Körpergewichts entfallen auf Proteine in Muskulatur, Bindegewebe, inneren Organen und Blut. Außer Stickstoff stellen Proteine Aminosäuren zur Verfügung, die zum Beispiel für die Bildung von Zellen, Enzymen, Hormonen, Neurotransmittern und Antikörpern genutzt werden. Als Energielieferanten (4 kcal/g) werden sie im Gegensatz zu Kohlenhydraten und Fetten nur ausnahmsweise, zum Beispiel bei längerem Fasten, genutzt.
Um der Vielzahl von Aufgaben gerecht zu werden, benötigt unser Körper eine ausreichende Zufuhr von Nahrungseiweiß, welche von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in den D-A-CH-Referenzwerten festgelegt ist. Für Erwachsene werden demnach täglich 0,8 g/kg Normalgewicht empfohlen. Diese Menge ist auch bei mittlerer sportlicher Aktivität ausreichend.
Für intensiven Breitensport oder Leistungssport geben verschiedene internationale Fachgesellschaften je nach Sportart und Trainingsintensität eine tägliche Zufuhr von 1,2 bis 2 g/kg Körpergewicht an. Studienergebnisse lassen vermuten, dass auch ältere Menschen mehr Eiweiß benötigen, weshalb die DGE ab 65 Jahren einen täglichen Schätzwert von 1 g/kg Körpergewicht angibt. Auch Kinder im Wachstum haben einen höheren Bedarf.
In Deutschland gibt es kaum Versorgungslücken, im Gegenteil: Es wird vor allem zu viel Fleisch und Wurst gegessen. Das bringt allerdings auch eine erhöhte Zufuhr gesättigter Fettsäuren und Purinen mit sich, woraus Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen und Gicht resultieren können.
»Hülsenfrüchte und Nüsse regelmäßig essen«, lautet eine der Ernährungsempfehlungen der DGE, die Anfang des Jahres aktualisiert wurden. Insgesamt liegt der Fokus bei den Empfehlungen gleichermaßen auf gesunder wie nachhaltiger Ernährung. Drei Viertel aller verzehrten Lebensmittel sollten demnach pflanzlichen Ursprungs sein, höchstens 300 g Fleisch und Wurst und nicht mehr als ein Ei pro Woche verzehrt werden. Auch der empfohlene Konsum an Milch- und Milchprodukten wurde aktuell nach unten korrigiert.
Proteine setzen sich aus Aminosäuren zusammen. Diese tragen alle eine Amino- und eine Carboxylgruppe. Über Peptidbindungen entstehen daraus zunächst kettenförmige Oligo- oder Polypeptide beziehungsweise bei mehr als 100 Aminosäuren Proteine. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, nehmen diese Ketten eine platzsparende, dreidimensionale Anordnung in Form einer spiralförmigen Alpha-Helix oder eine Faltblattstruktur ein. Daraus bilden sich dann knäuel- oder faserförmige Proteine.
Um bei der unübersichtlich großen Zahl von Proteinen den Überblick zu behalten, unterscheidet man einfache Eiweißstoffe, die nur aus Aminosäuren bestehen, von solchen Verbindungen, die noch Cofaktoren, beispielweise organische Moleküle oder Metallionen, enthalten.
Einfache und zusammengesetzte Proteine / Foto: PZ-Grafik/Jens Ripperger
Bevor proteinhaltiges Essen jedoch Aminosäuren als Rohstoffe zur körpereigenen Proteinsynthese liefert, muss unser Organismus einige Vorbereitungen treffen. Während der Verdauung bewirkt die Magensäure eine Denaturierung der Nahrungseiweiße, das heißt, sie löst also die dreidimensionale Struktur der Aminosäureketten auf. Das Enzym Pepsin, das mithilfe von Magensäure aus inaktivem Pepsinogen gebildet wird, zerschneidet die Proteine im Magen in kleinere Peptide. Sobald diese im Dünndarm ankommen, treten die von der Bauchspeicheldrüse gebildeten Endopeptidasen Trypsin und Chymotrypsin in Aktion. Sie spalten Peptidketten von der Mitte auf. Die ebenfalls von der Bauchspeicheldrüse gebildeten Exopeptidasen trennen einzelne Aminosäuren vom Kettenende ab.
Am Ende der Proteinverdauung werden im Dünndarm von den Darmzotten freie Aminosäuren und kurze Peptide ins Pfortaderblut aufgenommen und zur Leber transportiert. Drei Viertel der Aminosäuren werden dort zum Aufbau lebenswichtiger Proteinverbindungen herangezogen, der Rest gelangt mit dem Blut zu anderen Körperzellen.
Zwar finden ein ständiger Auf-, Ab- und Umbau und auch Proteinrecycling statt, dennoch fällt im Aminosäurestoffwechsel Sondermüll an, etwa Ammoniak, der in der Leber zu ungiftigem Harnstoff umgewandelt, in den Nieren ausgefiltert und dann mit dem Urin ausgeschieden wird. Laut DGE fehlen noch Studien dazu, ob ein langfristig hoher Eiweißverzehr das Risiko einer Niereninsuffizienz begünstigt. Eine Proteinzufuhr in doppelter Höhe des Referenzwertes wird für Erwachse aber als sicher angesehen. Wer viel Eiweiß isst, sollte jedoch auch genug trinken.
Nur 20 Aminosäuren sind Bausteine aller menschlichen Proteine. Sie werden proteinogen genannt, liegen wie alle in natürlichen Proteinen vorkommenden Aminosäuren in L-Konfiguration vor und können mit einem Drei- oder Einbuchstabencode abgekürzt werden. 9 der 20 sind unentbehrlich, müssen also mit der Nahrung aufgenommen werden. Die Übrigen kann der Körper in aller Regel selbst herstellen. Semi-essenzielle Aminosäuren, unter anderem Arginin, Histidin, Cystein oder Tyrosin, müssen aber in bestimmten Situationen, wie gesteigertem Proteinbedarf in Schwangerschaft, Wachstum und Rekonvaleszenz oder bei bestimmten Stoffwechselerkrankungen, mit der Nahrung aufgenommen werden.
Für Sportler von Interesse sind die drei verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin. Während ein schnellerer und verbesserter Muskelaufbau durch hoch dosierten und isolierten Verzehr dieser BCCA (branched-chain amino acids) wissenschaftlich nicht erwiesen ist, schließt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gesundheitliche Nachteile nicht aus.
entbehrliche (nicht essenzielle) Aminosäuren | unentbehrliche (essenzielle) Aminosäuren | ||
---|---|---|---|
Alanin | Ala, A | Isoleucin | Ile, I |
Arginin | Arg, R | Leucin | Leu, L |
Asparagin | Asn, N | Lysin | Lys, K |
Asparaginsäure | Asp, D | Methionin | Met, M |
Cystein | Cys, C | Phenylalanin | Phe, F |
Glutamin | Gln, Q | Threonin | Thr, T |
Glutaminsäure | Glu, E | Tryptophan | Trp, W |
Glycin | Gly, G | Valin | Val, V |
Prolin | Pro, P | Histidin | His, H |
Serin | Ser, S | ||
Tyrosin | Tyr, Y |
Alle 20 Aminosäuren können in beliebiger Anzahl und Reihenfolge miteinander verknüpft werden, was – mit oder ohne weitere Bestandteile - zu einer Fülle unterschiedlicher Proteine mit einer Vielzahl spezifischer Aufgaben im Organismus führt. Beispielsweise wehren sie als Immunglobuline Krankheiten ab oder speichern wie Ferritin Eisen im Organismus. Das Peptidhormon Insulin fungiert als Türöffner, um Glucose aus dem Blut in die Zellen einzuschleusen. Hämoglobin ist eine Art Taxifahrer für Sauerstoff, während Lipoproteine Fette und Cholesterol transportieren. Rein gar nichts läuft im Körper ohne Enzyme; sie werden für unzählige biochemische Prozesse im Stoffwechsel, in der Zelle, in Körperflüssigkeiten und Geweben gebraucht.
Ein Blick auf die Nährwerttabelle verrät zwar den Proteingehalt eines Lebensmittels, nicht aber die Menge an körpereigenem Protein, die wir daraus gewinnen. Dafür ist maßgeblich, wie es um Proteinverdaulichkeit und Bioverfügbarkeit bestellt ist. Rührei oder weich gekochtes Ei ist besser verdaulich als rohes, denn die Wärme zerstört bereits die räumliche Struktur, sodass es die Verdauungsenzyme leichter haben. Starkes Erhitzen wiederum kann Nahrungsproteine für Verdauungsenzyme unzugänglich machen.
Um mit allen unentbehrlichen Aminosäuren ausreichend versorgt zu sein, ist es hilfreich zu wissen, wie effektiv Nahrungsproteine in körpereigene umgewandelt werden können. Je besser das Aminosäuremuster eines Lebensmittels mit dem menschlichen Muster übereinstimmt, desto höher ist dessen biologische Wertigkeit. Für das Hühnerei wurde einst willkürlich die Maßzahl 100 festgelegt.
Die unentbehrliche Aminosäure, die verglichen mit dem Körpereiweiß am wenigsten in einem Lebensmittel vorkommt, ist die limitierende Aminosäure. Sobald sie aufgebraucht ist, stoppt im Organismus die Proteinproduktion. In unseren Mahlzeiten nehmen wir in der Regel verschiedene Eiweißarten gemeinsam auf, durch geschickte Proteinkombinationen können wir deshalb die limitierende Aminosäure eines Lebensmittels durch ein anderes Lebensmittel ausgleichen. Das Fachwort dafür heißt Ergänzungswert.
Eine hohe Eiweißqualität erhält man beispielweise beim gemeinsamen Verzehr von:
Veganer sollten sich besonders gut über verschiedene Kombinationen und ihre Ergänzungswerte informieren. Ohne Soja oder Hülsenfrüchte ist es für sie schwierig, ihren Bedarf an unentbehrlichen Aminosäuren zu decken. Das Proteingemisch aus Bohnen und Mais liefert eine biologische Wertigkeit von knapp 100. Und die Dreierkombination von Hülsenfrüchten mit Nüssen und Getreiden liefert ebenfalls einen hohen Ergänzungswert.
Fehlender Appetit, schlechtere Nährstoffaufnahme aus dem Darm und eingeschränkte Beweglichkeit münden bei schwerer Krankheit sowie im Alter häufig in einen schlechten Ernährungszustand mit Proteindefizit. Der Körper bezieht Aminosäuren dann bevorzugt aus der Muskulatur. Mit abnehmender Muskelmasse steigt das Risiko für Gebrechlichkeit, auch Infekte und Wundheilungsstörungen werden häufiger und die Genesung nach Krankheiten dauert oft länger. Es kann zu starker krankhafter Abmagerung, der Kachexie, kommen. Lässt sich die benötigte Proteinmenge nicht aus der Nahrung decken, ist in solchen Fällen angereicherte Trinknahrung (»Astronautenkost«) empfehlenswert.
Kwashiorkor bezeichnet ein Protein-Energie-Mangelsyndrom, wie es vor allem in Entwicklungsländern auftritt. Nach dem Abstillen kommt es durch proteinarme und kohlenhydratreiche Kost mit Reis und Mais als Hauptnahrungsmittel zum Nährstoffmangel. Betroffene Kleinkinder zeigen einen Hungerbauch durch Fettleber und Wassereinlagerungen. Neben Hautentzündungen, Blutarmut und Muskelabbau fallen Entfärbung von Haut und Haaren auf. Die Betroffenen leiden unter Wachstumsstörungen, Verzögerung der geistigen Entwicklung sowie Apathie und Teilnahmslosigkeit.