Riskante Schmerztherapie |
Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass auch Schmerzmittel in der Selbstmedikation zu Nebenwirkungen und Problemen führen können. / Foto: Adobe Stock/Pavel Ivanov
Patienten bekämen häufig für sie ungeeignete Schmerzmittel verordnet, stellte die Krankenkasse Barmer in ihrem Arzneimittelreport 2023 fest. Untersucht wurde die medikamentöse Schmerztherapie ambulant behandelter Versicherter der Barmer ab 18 Jahren ohne Tumordiagnose.
Demnach haben im Jahr 2021 hochgerechnet etwa 17,1 Millionen gesetzlich Versicherte eine medikamentöse Schmerztherapie erhalten. Entgegen leitlinienbasierter Empfehlungen hätten 526.000 Versicherte trotz Herzinsuffizienz ein nicht steroidales Antirheumatikum (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac verschrieben bekommen, was das Risiko für eine Verschlechterung der Symptomatik berge. »Dadurch können die Zahl der Krankenhausaufenthalte und das Sterberisiko steigen«, hob die Barmer hervor.
»Gerade die Kombination vermeintlich harmloser Schmerzmittel kann fatale Folgen haben«, sagte auch der Landesgeschäftsführer der Barmer Schleswig-Holstein, Bernd Hillebrandt. Er forderte den konsequenten und verbindlichen Einsatz digitaler Helfer in der Arzneimittelversorgung, wie eine elektronische Patientenakte. Dies helfe, den Überblick über die Gesamtmedikation eines Patienten und alle Neben- und Wechselwirkungen der Medikamente zu behalten.
Hartmut Göbel, Chefarzt der Schmerzklinik Kiel, empfiehlt, die 10-20-Regel beachten. »Man bleibt im grünen Bereich, wenn man unter zehn Tagen im Monat Schmerzmittel einnimmt und die anderen 20 Tage nichts.« Bei einer Einnahme an acht oder neun Tagen im Monat sollte aber bereits ein Arzt zu Rate gezogen werden, der die Situation und eventuell erforderliche Maßnahmen beurteilen kann.
Bei der Abgabe von Analgetika in der Selbstmedikation sollte das Apothekenpersonal auf eine möglichst kurzfristige Anwendung in der niedrigsten wirksamen Dosis hinzuweisen. Die Einnahmedauer sollte bei Schmerzen vier aufeinanderfolgende Tage nicht überschreiten, bei Fieber drei aufeinanderfolgende Tage. Die S3-Leitlinie »Medikamentenbezogene Störungen« empfiehlt außerdem, vor der Abgabe die bisherige Nutzung der geforderten Substanz oder ähnliche Wirkstoffe zu erfragen.
Hintergrund ist, dass ein Über- oder Fehlgebrauch von Nichtopioid-Analgetika wie NSAR zu Nebenwirkungen und Folgeschäden führen kann. Diese betreffen beispielsweise den Magen-Darm-Trakt, die Nieren oder das Gerinnungssystem. Auch die Kombination mit anderen Dauermedikamenten kann gefährlich werden, zum Beispiel die Kombination von NSAR mit Diuretika und ACE-Hemmern, die zu Nierenschäden führen kann. Nicht zuletzt besteht bei Patienten, die die Schmerzmittel bei akuten Kopfschmerzen übermäßig einnehmen, das Risiko eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes.