Schleimhautpflege ist auch Immunschutz |
Je nach Körperregion ist das Mukosa-assoziierte lymphatische Gewebe unterschiedlich ausgeprägt und wird entsprechend benannt. Am besten untersucht ist das mit dem Gastrointestinaltrakt assoziierte GALT (gut-associated lymphoid tissue), das Ansammlungen von Lymphfollikeln in Form von Peyer’s Plaques im Dünndarm, den Appendix vermiformis (Wurmfortsatz) und zahlreiche isolierte lymphatische Follikel im gesamten Darm umfasst. »80 Prozent unseres Immunsystems sitzen im Darm.« Wird dieses System durch eine Krebstherapie beeinträchtigt, sind starke Durchfälle die Folge.
Das vaginal assoziierte lymphatische Gewebe (VALT) liegt im Urogenitaltrakt. Häufige Pilzinfektionen oder eine bakterielle Vaginose sprechen für Dysbalancen im System. Das Bronchien-assoziierte lymphatische Gewebe (BALT) ist in den unteren Atemwegen und den Bronchien lokalisiert, während das NALT-System mit Lymphgewebe in Mund, Nasenhöhle und Pharynx einschließlich der Tonsillen für die Immunabwehr im Nasen-Rachen-Raum bereitsteht. Dieses System trägt unter anderem zur Kontrolle von Atemwegsinfekten bei. Zudem scheint auch das jeweils ansässige Mikrobiom eine wichtige Rolle für die Toleranzentwicklung zu spielen. »Die Schleimhaut fungiert also nicht nur als physikalische Barriere, sondern ist durch das integrierte MALT-System auch in ihrer Funktion ein Schutzschild«, erläuterte der Mediziner.
»Die Wechselwirkungen zwischen der Schleimhaut und dem Immunsystem sind entscheidend für die Aufrechterhaltung einer guten Immunabwehr.« Deshalb sind intakte Schleimhäute vor allem für Menschen mit schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs oder gestörter Immunfunktion wichtig, da schmerzhaft entzündete Schleimhäute wie im Mund-Rachen-Raum sowie im Magen-Darm-Bereich zu einer eingeschränkten Nahrungsaufnahme und zu Flüssigkeitsmangel führen können. Wagner: »Das wirkt sich negativ auf den Heilungsverlauf sowie auf die Therapieadhärenz aus.«
Neben einem gesunden Lebensstil mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr, Rauchverzicht und Stressreduktion seien die supportiven Maßnahmen zur Mukosa-Unterstützung ziemlich begrenzt, führte Wagner aus. Deshalb hält er neben der Kühlung der Mundhöhle mit Eiswürfeln während der Infusionen (siehe Kasten) die supportive Nährstoffzufuhr für ein probates Mittel, um Nebenwirkungen zu begrenzen. Dabei habe sich eine Nährstoffkombination mit Papain, Bromelain, Lektin- und Selen-haltiger Linsenextrakt, Biotin und Vitamin C (zum Beispiel Sanomucin®) als hilfreich erwiesen. »Vor allem Biotin ist ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Zellen und trägt zur Erhaltung normaler Schleimhäute bei«, berichtete der Gynäkologe von seinen Erfahrungen. »In der Komplementärmedizin gibt es keine randomisierten Studien.«
Die Kühlung der Mundhöhle mithilfe von Eiswasserspülungen oder Lutschen von Eiswürfeln während der Infusionen ist in der Lage, das Ausmaß und die Schwere der Läsionen zu begrenzen, heißt es etwa in der S3-Leitlinie Mukositis. Durch die Minderdurchblutung der Mundschleimhaut, so die Überlegung, verringere sich die Konzentration toxischer Substanzen in diesem Gewebe, und entzündliche Reaktionen werden unterdrückt.
Das große Problem dabei: Aufgrund des langen und intensiven Kältereizes - die Kältetherapie sollte bereits vor der Infusion beginnen und bis etwa eine halbe Stunde nach deren Ende fortgesetzt werden – ist sie eher schwierig zu handhaben. Angenehmer als die mitunter scharfkantigen Eiswürfel empfinden viele Patienten das Lutschen tiefgefrorener Fruchtwürfel oder -kugeln, etwa aus Ananas, Papaya oder auch Salbeitee. Auch eisgekühlte Butterkügelchen oder gekühlte Aloe-vera-Mundspüllösungen finden oft die Akzeptanz der Patienten.
Wagner sagte, dass die Kombination aus den pflanzlichen Enzymen Papain und Bromelain sowie Selen und Lektin zum Beispiel laut den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) bei Aromatasehemmer-induzierten Arthralgien empfohlen wird. »Auch diese Arthralgien sind auf die Attacke des MALT-Systems zurückzuführen. Denn unter antihormoneller Krebstherapie entstehen oft Entzündungen in den Gelenkschleimhäuten, der Synovia. Dies bewirken hartnäckige Bewegungsschmerzen und schränken die Gelenkbeweglichkeit ein. Die tägliche Einnahme der supportiven Nährstoffkombination eine Stunde vor oder eine Stunde nach einer Mahlzeit trägt dazu bei, die Beschwerden zu reduzieren.«