Schwerhörigkeit wird stark unterschätzt |
Mit einem Hörgerät können Menschen wieder besser am Leben teilnehmen. Denn schlechtes Hören geht häufig mit Schwindel, Tinnitus oder Isolation einher und ist ein Risikofaktor für Demenz. / Foto: Getty Images/Westend61
Kaum jemand läuft ohne Brille oder Kontaktlinsen herum, wenn er schlecht sieht. Aber bei schlechtem Gehör tragen bei Weitem nicht alle ein Hörgerät. Das hat negative Folgen, die weit über das Hören hinausreichen. Viele Vorurteile über Hörhilfen sind inzwischen überholt, wie Hörakustiker berichten.
Neueste Systeme sind nahezu unsichtbar und können dank Künstlicher Intelligenz viel mehr, als für besseres Gehör zu sorgen. Forschende der Universität Mainz hatten 2023 Daten von 5024 Menschen ausgewertet – vom jungen Erwachsenen bis zum Über-80-Jährigen. Dabei stellten sie fest, dass knapp die Hälfte der Teilnehmenden nach der sogenannten Hilfsmittel-Richtlinie die Voraussetzung für ein Hörgerät auf beiden Seiten erfüllte. Aber lediglich 7,7 Prozent hatten tatsächlich zwei Hörgeräte. Dabei war das Hörvermögen der Frauen im Schnitt besser als das der Männer. Mit zunehmendem Alter zeigte sich eine deutlich erhöhte Prävalenz der Hörstörungen.
Die Koblenzer Hörakustikmeisterin Eva Keil-Becker kennt die Vorurteile, die Menschen gegenüber Hörgeräten haben. »Früher sah man das als Stigma. Hörgeräte sahen aus wie hautfarbene Bananen.« Diese Zeiten seien lange vorbei. »Moderne Hörgeräte sind Wunderwerke der Technik, die kleinsten tragbaren Computer der Welt«, sagt Keil-Becker vor dem Welttag des Hörens am 3. März.
Die »massive Unterversorgung« mit Hörgeräten habe aber auch einen anderen Grund, glaubt die Vizepräsidentin der in Mainz ansässigen Europäischen Union der Hörakustiker (EUHA) und Geschäftsführerin eines Familienunternehmens mit mehr als 20 Fachgeschäften: »Hörverlust ist ein schleichender Prozess. Bis man es bemerkt, dauert es im Schnitt sieben Jahre.« Laut EUHA leiden 5,4 Millionen Menschen in Deutschland unter einer Hörminderung, darunter mehr als 500.000 Kinder.