Selbst der Seele helfen |
Eine andere Maßnahme ist laut Jakobs die tiefe Atmung: »Sie ist der Schlüssel zur Selbstberuhigung und Entspannung. Wir können ganz leicht anfangen, indem wir jeden Tag binnen zwei Minuten sechsmal bewusst tief einatmen, den Atem kurz anhalten und anschließend langsam ausatmen.« Diese Atemübung eignet sich ritualisiert zum Beispiel vor dem morgendlichen und abendlichen Zähneputzen. Jakobs weiß: Rituale geben Sicherheit, Halt und Struktur. Sie zu beginnen, sei entscheidend, um sich aus der Starre durch Schmerz, Angst und Unsicherheit zu befreien, letztlich mit dem Ziel, sich besser zu fühlen.
Die Erste-Hilfe-Maßnahmen sind ein erster Schritt, sich direkt zu beruhigen. Um dauerhaft wieder seelisches Gleichgewicht zu erlangen, braucht es mehr: die Selbsterkenntnis, dass sich etwas ändern muss, und schließlich eine tatsächliche Verhaltensänderung. Dabei sei jeder Weg individuell, und es gebe kein Allheilmittel, wie Jakobs betont.
In vielen Fällen scheint es hilfreich zu sein, sich die eigene Vergangenheit anzuschauen: Habe ich in der Kindheit Erfahrungen gemacht, Muster entwickelt, die auch heute noch mein Verhalten bestimmen, auch wenn sie mir im Weg stehen? Beim Aufspüren von wunden Punkten aus der Vergangenheit kann ein professioneller Psychotherapeut helfen, bei manchen seelischen Störungen ist das auch empfehlenswert. Bei anderen schafft man das vielleicht auch in einer Selbsthilfegruppe oder mithilfe einer Vertrauensperson.
Sich einem anderen Menschen zu öffnen, ihm seine Schwachstellen zu zeigen, ist allerdings oft mit Scham verbunden. Jakobs ist überzeugt: »Solange wir Scham in uns tragen, können wir uns nicht von alten Mustern befreien.« Die Psychotherapeutin erklärt: Bei diesem Rückblick gehe es darum, sich selbst besser kennen und verstehen zu lernen; Schmerzen, Ängste, die man heute empfindet, die ihren Ursprung aber in der Vergangenheit haben, auch zurück in die Vergangenheit zu verfrachten, indem man sich klar macht, dass sie dorthin gehören.
Dies lösche zwar nicht den Schmerz, aber durch das Sich-Bewusstmachen seines Ursprungs und das Zurückverweisen in die Vergangenheit hätte dieser im Jetzt weniger, möglichst keine Macht mehr. Jakobs beschreibt es, als betrachte man den Schmerz durch eine Glasscheibe; man nimmt eine gelassenere, distanzierte Haltung ein. Auch die tiefe Atmung kann dabei helfen, diesen Zustand zu erreichen. Die Psychotherapeutin betont auch, dass es bei der Rückschau nicht um Schuldzuweisung etwa den Eltern gegenüber gehe, sondern um die Akzeptanz und das Annehmen all dessen, was war und was ist, um sich nicht mehr um sich selbst drehen zu müssen. Vielmehr könne man dann im Jetzt leben und offen für eine Verhaltensänderung sein.