Sexuelle Störung durch Arzneimittel |
Sexuelle Dysfunktionen können weiterhin Medikamente auslösen, die zur Therapie einer symptomatischen benignen Prostatahyperplasie (BPH) oder Symptome des unteren Harntraktes (lower urinary tract symptoms, LUTS) eingesetzt werden. Alphablocker wie Doxazosin oder Tamsulosin können Orgasmusstörungen und Priapismus hervorrufen. 5-Alpha-Reduktasehemmer wie Finasterid erzeugen einen beabsichtigten Testosteronmangel und können sich dadurch auf Libido und Erektion auswirken. Zu beachten ist, dass auch hier die Grunderkrankungen mit einer erhöhten Inzidenz für sexuelle Funktionsstörungen verbunden sind. Die gegen Prostatakrebs wirksamen GnRH-Analoga wie Buserelin verursachen Orgasmusstörungen und können einen Hypogonadismus mit verminderter Libido und erektiler Dysfunktion bewirken.
Bei Frauen lösen lang wirksame GnRH-Analoga, die zum Beispiel gegen Mammakarzinom eingesetzt werden, mitunter Orgasmusstörungen sowie Hypogonadismus mit Scheidentrockenheit und Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr) aus. Wenig untersucht sind die Folgen von oralen Kontrazeptiva auf das weibliche Sexualleben. Bei der Einnahme kann das freie Testosteron sinken und so das sexuelle Verlangen abnehmen. Die Evidenz dazu ist jedoch bislang gering.
Es kann herausfordernd sein, den Kausalzusammenhang zwischen Arzneimitteln und möglichen Nebenwirkungen auf die Sexualität auszumachen. Menschen, die schon länger ein Medikament anwenden, haben unter Umständen noch gar nicht bedacht, dass dieses für ihre sexuellen Probleme verantwortlich sein könnte. Ebenso ist es möglich, dass Patienten in der Gebrauchsinformation von Nebenwirkungen auf die Sexualität lesen und ihre Probleme in der Partnerschaft darauf zurückführen, obwohl tatsächlich andere Stressoren die Ursache sind. Weiterhin ist zu beachten, dass einige Grunderkrankungen wie Depressionen oder Bluthochdruck zu sexuellen Störungen führen können.
Bei einem neu verschriebenen Arzneimittel, das sich potenziell negativ auf das Sexualleben auswirken könnte, ist ein sensibles Vorgehen vonseiten des Apothekenteams gefragt. Wichtig ist der Hinweis, dass berichtete Nebenwirkungen nicht bei jedem auftreten. Eine Rolle spielen weiterhin Dosierung und Einnahmedauer der Wirkstoffe, Art der Erkrankung und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Werden Nebenwirkungen auf die Sexualität von vorneherein zu sehr thematisiert, kann das einen Nocebo-Effekt auslösen. Besser fragt das Apothekenteam den Patienten, ob er Nebenwirkungen bemerkt hat, nachdem er das neue Arzneimittel einige Zeit genommen hat. Den Betroffenen kann es beruhigen, dass unerwünschte Wirkungen nach der ersten Zeit der Einnahme nachlassen können.
Wenn es sicher ist, dass ein Arzneimittel für sexuelle Funktionsstörungen sorgt, kann häufig der Wechsel auf ein anderes Medikament Abhilfe verschaffen. Männer, die Probleme unter einer Therapie mit Betablockern entwickeln, kommen möglicherweise besser mit einem AT1-Rezeptorantagonisten oder einem Calcium-Antagonisten zurecht. Patienten können mit ihrem Arzt ebenso besprechen, ob eine Dosisreduktion möglich ist. Denn manche Wirkungen auf die Sexualfunktion sind dosisabhängig. Ein verschriebenes Medikament hingegen heimlich abzusetzen, ist die schlechteste Lösung.