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Eigenständige Therapiesäule
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So wichtig ist die Basispflege bei Neurodermitis

Die Basispflege ist nicht nur eine bloße Begleitmaßnahme im Therapiemanagement von Patienten mit Neurodermitis. Sie ist vielmehr eine wirksame und eigenständige Behandlungssäule. Mit welchen Formulierungen der Hautzustand verbessert werden kann, erklärt Professor Dr. Joachim Fluhr vom Institut für Allergologie der Charité Berlin.
AutorKontaktElke Wolf
Datum 15.12.2025  16:00 Uhr

»Basistherapeutika sind zwar die von Ärzten am meist verordneten, aber die am wenigsten ernst genommenen therapeutischen Mittel in der Dermatologie«, zeigte sich Fluhr bei der Jahrestagung der Gesellschaft für Dermopharmazie überzeugt. Die Unterschätzung der täglichen Pflegeeinheiten habe verschiedene Gründe.

Um die Akzeptanz für Basistherapeutika bei den Betroffenen zu verbessern, sei in erster Linie von ärztlicher Seite eine bessere Kommunikation nötig. »Wir geben zu unspezifische Empfehlungen. Mit Angaben wie ›fettreiche Pflegecremes‹, ›Fühlen Sie selbst, was Ihrer Haut guttut‹ oder ›Cortisoncreme bei Bedarf aufragen‹ ist es nicht getan. Hier müssen wir strukturiertere Angaben machen. Wir müssen die Beratung zusammen mit den Apothekenteams verbessern«, sagte der Dermatologe und Allergologe. Er regte an, Handouts zur Anwendbarkeit geeigneter Basistherapeutika zu entwickeln, die sowohl das Arzt- als auch das Beratungsgespräch in der Apotheke anwendungsfreundlicher gestalten könnten.

Patienten mit atopischer Dermatitis versorgen ihre Haut am besten zweimal täglich mit geeigneten Pflegepräparaten – und das auch in den schubfreien Intervallen und/oder während einer eventuellen Biologika-Therapie, betonte der Experte. »Rechnet man die benötigte Basistherapie auf den Monatsbedarf eines Erwachsenen hoch, so wird rund 1 Kilogramm pro Monat für die Ganzkörperpflege benötigt. Das ist nicht unerheblich«, machte Fluhr auf die große Bedarfsmenge aufmerksam.

Und hier liege das nächste Problem für die mangelnde Akzeptanz begründet: „Obwohl die Basispflege laut den Leitlinien essenzieller Bestandteil der Therapie ist, ist sie in den meisten Fällen nicht erstattungsfähig. Nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes können die Präparate zulasten der GKV verordnet werden. Einem Patienten, der es sich nicht leisten kann, nutzt die neueste multilamellare Formulierung aus der Apotheke gar nichts, sondern er holt sich allenfalls eine Creme im Drogeriemarkt.«

Stratum corneum nicht tot

Fluhr schilderte das multimodale Krankheitsbild der atopischen Dermatitis. Diese entsteht auf dem Boden einer genetischen Veranlagung und wird als Hautbarrierestörung mit einem veränderten Hautmikrobiom und fehlgeleiteten Immunreaktionen verstanden. Durch die defekte Hautbarriere ist der transepidermale Wasserverlust (TEWL) erhöht, die Haut wird trocken, spröde, schuppig und rau. Die Talgdrüsen produzieren nur wenig Talg, sodass sich kein flächendeckender Fettfilm über die Haut ziehen kann. Außerdem fehlt ihr ein effektives Wasserspeichersystem. Und auch der Zellkitt, der den Raum zwischen den Hornzellen abdichtet, hat eine veränderte Zusammensetzung. Juckreiz und Aufkratzen reizen die Haut fortlaufend und erhöhen die Infektionsgefahr durch bakterielle Besiedlung.

»Zu wenig NMF, also der Natural Moisturizing Factor, spielt eine zentrale Rolle. Wir haben nachweisen können, dass im akuten Schub in den ersten 10 bis 15 Mikrometern der Hornschicht die NMF-Substanzen deutlich vermindert sind«, so Fluhr. Von Geburt an mangele es Neurodermitikern an natürlichen Feuchthaltefaktoren. Der TEWL-Wert in der frühen Kindheit könne gar als prädiktiver Parameter für die Entwicklung einer atopischen Dermatitis angesehen werden.

Fluhr widersprach der gängigen Meinung, das Stratum corneum sei tot. »Auch wenn die Korneozyten keinen Zellkern mehr haben und sich nicht mehr vermehren, sind sie biochemisch immer noch aktiv. Sie dienen nämlich als Biosensor und Regulationskompartiment, weil sie Signale nach unten in die Haut geben. Das wiederum leitet Regenerationsprozesse ein.«

Aktive Intervention

Geeignete Basispräparate sind heute keine »fetthaltigen Okklusionssalben mehr«, machte der Hautexperte deutlich. Moderne Formulierungen haben vielmehr multilamellare Lipidstrukturen, die der menschlichen Haut nachempfunden sind. So kann die Barrierefunktion der Haut gezielt regeneriert werden. »Damit ist eine aktive epidermale Intervention möglich, und zwar durch die Steuerung des physiologischen Lipidgleichgewichts und des Haut-pH-Wertes sowie der Begrenzung des transepidermalen Wasserverlusts und positiven Beeinflussung des Hautmikrobioms. Studien belegen signifikante Effekte auf Barriere, Entzündung und mikrobielle Diversität.«

Als Lipidkomponente empfiehlt er Phospholipide, Ceramide oder Ceramid-Derivate, etwa aus Hafer-, Jojoba-, Weizenkeim-, Traubenkern- oder Nachtkerzensamenöl. Ceramide sind essenziell für den Wiederaufbau der epidermalen Hautbarriere und fungieren überdies als interzelluläre Kittsubstanzen.

Mit einem Anteil bis annähernd 60 Prozent stellen sie den Hauptanteil der interzellulären Lipide in der Hornschicht dar. Zusammen mit anderen Lipiden wie Cholesterol und Fettsäuren bilden sie eine lamellare Doppelschicht. Weil zwischen den lamellaren Strukturen der interzellulären Lipide Wasser gebunden wird, steuern Ceramide wesentlich den Feuchtigkeitsgehalt der Haut. Sie halten die Haut weich und geschmeidig. »Mit dem Alter kommt allerdings die körpereigene Maschinerie ins Stocken. Weniger Barrierematerial wie Ceramide werden gebildet. Schon deshalb ist mehr und häufigere Pflege notwendig.« 

Natürliche oder annähernd hautidentische Ceramide können per Topikum direkt der Haut zugeführt werden. Phytosphingosin und Sphingolipide sind Ceramidvorstufen, die in Kosmetika eingearbeitet werden und der Epidermis helfen, selbst wieder mehr Ceramid zu produzieren.

Auch eine intakte Hautflora schaffet es, die Ceramidbildung anzuregen und lange auf hohem Level zu halten. Im Grunde sind Probiotika, Bakterienlysate, Flavonoide wie Licochalcon A oder Haferextrakt die Substanzen, die die S3-Leitlinie unter der Bezeichnung »Emollienzien plus« versteht. »Die defekte Barrierefunktion ist nachweislich durch Emollienzien kompensierbar«, erläuterte Fluhr. Entsprechende Formulierungen sind meist als Dermokosmetika oder Medizinprodukte auf dem Markt und nicht als Arzneimittel.

Zusätzlich sollten die Dermokosmetika laut dem Dermatologen eine gute Portion an Feuchthaltefaktoren enthalten, allen voran Harnstoff, Milchsäure, Glycerol, Pyrrolidoncarbonsäure oder Hyaluronsäure, um die Restfeuchte an epidermalem Wasser in der Haut zurückzuhalten und zu erhöhen. In der Säuglings- und Kleinkindpflege sei man mit Glycerol-haltigen Topika auf der sicheren Seite, so der Allergologe. Urea-Nebenwirkungen wie Hautirritationen, Rötungen und Brennen träten bei den Kleinen besonders häufig auf.

Die Grundlage der Basistherapeutika richtet sich nach der Erkrankungsphase: Während akut entzündete Haut mit nässenden Ekzemen nach wasserhaltiger, kühlender Pflege wie Schüttelmixturen (Lotio alba) oder Hydrogelen verlangt (»feucht auf feucht«), profitiert trockene, nicht entzündete Haut von lipophilen Grundlagen wie W/O-Emulsionen (»fett auf trocken«). Je akuter das Ekzem, also je röter die Haut, desto höher sollte der Wassergehalt der Grundlage sein, je trockener die Haut, desto lipophiler sollte die Formulierung ausfallen. Die Grundlage der Basistherapie richtet sich aber laut Fluhr auch nach der Jahreszeit und den individuellen Vorlieben der Patienten.

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