Spektrum der Farbsehstörungen |
Obwohl die Farbenblindheit umgangssprachlich recht häufig aufgegriffen wird, ist sie medizinisch betrachtet sehr selten. Experten schätzen die Zahl der Betroffenen in Deutschland auf etwa 3000, wobei Männer und Frauen gleich häufig erkranken. In der Regel wird eine totale Farbenblindheit schon bei Kindern früh erkannt, da sie mit starken Einschränkungen der Sehschärfe oder einer extrem hohen Lichtempfindlichkeit einhergeht. Beides liegt daran, dass bei farbenblinden Menschen nur die Stäbchen funktionsfähig sind, die auf das Sehen in der Dämmerung und Nacht ausgelegt sind.
Anders sieht das bei angeborenen Farbsehstörungen auf. Da Betroffene ihre Umwelt nicht anders kennen, bemerken sie selbst die veränderte Farbwahrnehmung nicht. Manchmal fällt es im Kindesalter auf, wenn Gegenstände nach Farben sortiert werden sollen oder bei einer Routineuntersuchung beim Augenarzt. Es gibt jedoch immer wieder auch Betroffene, die erst im Erwachsenenalter bemerken, dass sie Farben anders wahrnehmen als ihre Mitmenschen. Darüber hinaus kann eine Farbsehstörung auch erst im Laufe des Lebens auftreten. Sie ist dann die Folge einer Erkrankung, zum Beispiel einer Makuladegeneration oder einer Optikusatrophie (einem Schwund der Sehzellen im Sehnerv).
Diagnose mit Ishihara-Tafeln: Bei Rot-Grün-Schwäche fällt es schwer, das abgebildete Symbol zu erkennen. / Foto: Adobe Stock/Harry
Liegt der Verdacht auf eine Farbsehschwäche vor, lässt diese sich unkompliziert feststellen. So existieren für die Rot-Grün-Schwäche die Ishihara-Tafeln: Hier sind viele Kreise unterschiedlicher Größen und Farben abgebildet. Normalsichtige können darauf Zahlen oder Figuren erkennen. Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche fällt das Erkennen schwer oder sie lesen eine falsche Zahl. Für Kinder ab drei Jahren gibt es den sogenannten Color-Vision-Testing-Made-Easy-Test (CVTNE-Test), der Symbole wie Kreise, Sterne, Hunde oder Quadrate zeigt. Auch das Sortieren farbiger Plättchen oder Hütchen sowie eine Untersuchung mit dem Anomaloskop, bei dem Patienten die Farbe in einem Testfeld an die Farbe eines Vergleichsfeldes anpassen müssen, geben schnell Aufschluss.
Wie eingeschränkt Betroffene mit einer Farbsehstörung in ihrem Alltag sind, hängt in erster Linie von der Ausprägung der Erkrankung ab. Schwierigkeiten können zum Beispiel beim Lesen von U-Bahn-Fahrplänen, Formularen mit farbigen Markierungen oder mehrfarbigen Grafiken auftreten. Im Straßenverkehr kann es zu Problemen kommen, wenn etwa die Bremslichter eines vorausfahrenden Fahrzeuges nicht oder zeitlich verzögert wahrgenommen werden. Aus diesem Grund ist die Fahrgastbeförderung oder das Lenken eines LKWs nur bei leichten Farbsehstörungen erlaubt. Piloten müssen ein normales Farbensehen oder zumindest Farbsicherheit nachweisen können. Für den Erwerb des Segel- oder Motorbootführerscheins sowie in Berufen wie Polizist, Zahnarzt, Maler und Lackierer oder Chemielaborant ist die volle Farbsehtüchtigkeit Voraussetzung. Beim Militär wiederum wurden Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche bereits gezielt eingesetzt. Sie können Farben aus dem braunen und gelben Bereich viel nuancenreicher wahrnehmen als Normalsichtige und deshalb Tarnfarben wesentlich besser und schneller erkennen. Zudem können sie bei Dämmerungslicht schärfer sehen als Normalsichtige.