Sport als Problemlöser |
»Vor ein paar Jahren kam ich aus einer Reha zurück und wusste nach wiederholten Rückenbeschwerden, dass es Zeit war, etwas für mich zu tun. Als Diplom-Pädagogin leitete ich eine Abteilung in der Studienberatung und konnte abends nicht abschalten.
Ich ging ins Fitnessstudio und trainierte neben Leuten, die an Steppern schwitzten und versuchten, dabei gut auszusehen. Das war nichts für mich. Die Schmerzen wurden schlimmer. Dazu die vielen Termine und Aufgaben in einem Tempo, das mir zunehmend die Lebensfreude raubte.
Dann erinnerte ich mich an einen Freund, der mir vor Jahren ein paar Sequenzen aus dem Tai-Chi gezeigt hatte. Schon damals faszinierten mich die schönen Bewegungen und der geschichtliche Hintergrund: Tai-Chi, eine 800 Jahre alte Bewegungsmeditation aus China, bedeutet so viel wie »Harmonie von Yin und Yang«, also der Einklang der Gegensätze. Die Übungen werden in Zeitlupe ausgeführt und sollen innere Blockaden auflösen.
An einem verregneten Herbstabend fand ich mich vor der Tür des Tai-Chi-Studios von Daniel Grolle in Hamburg ein. Mit seiner ruhigen Ausstrahlung überzeugte er mich sofort. »Lass dich einfach auf die langsamen Bewegungen ein. Wenn es dir gefällt, kannst du jeden Mittwoch in die Stunde kommen,« sagte er.
Als ich mit den anderen Teilnehmern im verspiegelten Raum stand, erklärte er, dass durch die Übungen das Qi, die Lebenskraft, vermehrt würde. Danach machte er eine Tai-Chi-Abfolge vor, langsam, flüssig und rund, und ich versuchte, sie nachzuahmen. »Bleibt in eurer Mitte«, sagte er, »breitet die Arme aus wie ein Kranich seine Flügel.« Wir standen ruhig auf einem Bein und schauten nach Westen. Dabei merkte ich, wie mein Atem ruhiger wurde und die Anspannung nach und nach von mir abfiel. Eine Figur ging in die andere über. Und trotz der langsamen Übungen kam ich ins Schwitzen. Dann: hinsetzen zur Meditation! Ich schloss die Augen, die Zeit schien stehen zu bleiben. Hinterher war ich einfach nur gut drauf.
Auch zwei Tage später fühlte ich mich noch ausgeglichen und voller Energie. Ich blieb dabei und ließ mich bald darauf vier Jahre lang zur Tai-Chi-Lehrerin ausbilden. Meine Haltung und Körperwahrnehmung haben sich seitdem verbessert, und mit dem Rücken habe ich keine Probleme mehr. Ich gehe gelassener und bewusster mit mir und anderen um. Meinen alten Job habe ich gewechselt. Es ist fast schon magisch, was der Zeitlupen-Sport für positive Veränderungen in mein Leben gebracht hat und bringt.«