Tamoxifen-Knappheit verunsichert Betroffene |
Tamoxifen wird in der Brustkrebs-Nachsorge eingesetzt. Das Ziel ist es, langfristig die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu senken. / Foto: Getty Images/Hiraman
»Die Ursachen dieses Versorgungsmangels sind vielgestaltig«, heißt es beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM): Es gebe keine einzelne Ursache, sondern »Wechselwirkungen verschiedener Effekte«. Die Fachgesellschaften sehen eine mögliche Erklärung unter anderem auch in einem »Anstieg der Verschreibungen seit dem ersten Quartal 2020 im zeitlichen Zusammenhang mit den Lockdown-Maßnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie«. Denkbar ist, dass Frauen zu Beginn der Corona-Pandemie Vorräte angelegt haben.
Das BfArM beobachtet die Entwicklung bereits seit Januar. Weil der Marktanteil von Tamoxifen hoch ist, gehört es zu den »versorgungsrelevanten Wirkstoffen«. Der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe am BfArM hat Maßnahmen zur Abmilderung des Lieferengpasses eingeleitet: Die Unternehmen sollen prüfen, ob Kontingente »für den deutschen Markt verfügbar gemacht werden können, ohne dabei einen Versorgungsmangel in anderen Staaten zu erzeugen«. Ärzte sollen in den kommenden Monaten »keine Rezepte für eine individuelle Bevorratung ausstellen«. Patienten sollen auf andere Packungsgrößen ausweichen, zum Beispiel zwei Mal 10 Milligramm statt der gewohnten 20-Milligramm-Tablette einnehmen.
Tamoxifen ist ein sogenannter selektiver Östrogenrezeptor-Modulator. Das sind Arzneimittel, die ihre Wirkung über die Rezeptoren für das Hormon Östrogen vermitteln. Der Wirkstoff dockt an die Tumorzelle an und blockiert den Einfluss der Östrogene auf das Wachstum der Tumorzelle. So sorgt es dafür, dass Tumorzellen nicht weiterwachsen. Tamoxifen wird in der Nachsorge eingesetzt – Ziel ist es, langfristig die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu senken. »Es ist unverzichtbarer Bestandteil der Therapie von Patienten und Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom«, heißt es in einer Stellungnahme, mit der fünf Fachgesellschaften gemeinsam auf die Situation reagiert haben.
Die Betroffenen nehmen in der Regel 20 Milligramm täglich – und zwar fünf bis zehn Jahre lang. In den Jahren 2019 bis 2021 wurden laut GKV-Arzneimittelindex 27 bis 28 Millionen Tagesdosen verschrieben. Darauf basieren Schätzungen, dass 120.000 bis 130.000 Patientinnen – aber auch einige männliche Brustkrebspatienten – von dem Tamoxifen-Engpass betroffen sein könnten.