Trip für die Seele? |
Isabel Weinert |
02.10.2025 08:00 Uhr |
Psychoaktive Substanzen müssten entkriminalisiert werden, um als Medikamente Anwendung finden zu können, fordern die einen; das fördere den Missbrauch, sagen die anderen. / © Getty Images/serpeblu
Diese Substanzen kennt man von ihrer missbräuchlichen Verwendung, weil sie das Bewusstsein und damit das Erleben verändern: Psilocybin und Lysergsäurediethylamid (LSD) oder auch 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA). Aber das schließt nicht aus, dass sie unter genau definierten Bedingungen nicht auch therapeutisch wirken könnten. Überhaupt zeigt die Geschichte, dass Substanzen teilweise relativ willkürlich der Gruppe der Medikamente oder derjenigen der Drogen zugeordnet wurden und das auch immer wieder wechselte. Mediziner wie Dr. med. Tomislav Majic von der Psychiatrischen Universitätklinik der Charité, sagen, dass über das durch die Substanzen veränderte Bewusstsein im medizinisch-therapeutischen Zusammenhang neue Einsichten gewonnen werden können, Menschen besser spüren, was sie überhaupt fühlen, sie sich zudem besser in die Gedanken und Gefühle ihrer Mitmenschen einspüren können und sich der Kontakt zu ihren Mitmenschen verbessert. Im »Deutschen Ärzteblatt« schreibt der Psychiater, dass die höchste Evidenz für die Behandlung von Depressionen mit Psychedelika vorliege, allen voran Psylocybin, sowie für die Therapie posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) mit MDMA. Positive Wirkungen der Therapie halten oft über Wochen und Monate, schreibt der Experte im »Deutschen Ärzteblatt«.
Dabei unterscheiden sich die Dosierung und die Anwendungsintervalle grundlegend von derjenigen herkömmlicher und derzeit eingesetzter Medikamente gegen psychiatrische Erkrankungen. So kommen die psychoaktiven Substanzen nur wenige Male zur Anwendung. Ob mit Erfolg, hängt maßgeblich von den Erfahrungen ab, die ein Mensch unter der Substanz macht, und wie er dabei therapeutisch begleitet wird.
Unter der Therapie ist es auch möglich, dass ein anwesender Therapeut oder eine anwesende Therapeutin dem Menschen Dinge suggeriert, für die er aufgrund des veränderten Bewusstseins besonders empfänglich ist, die aber nicht zwingend hilfreich für ihn sind. Es besteht eine Gefahr für Grenzüberschreitungen durch die Therapeuten. Patienten geben mit dieser Therapie ein Stückweit Selbstbestimmtheit an Therapierende ab.
Das ist nicht das einzige bekannte Risiko. Majic nennt als Komplikationen psychotische Reaktionen, anhaltende, vorrangig das Sehen betreffende Störungen der Wahrnehmung, Angststörungen sowie Depersonalisations- und Derealisationssyndrome. Außerdem können sich auf Grundlage des Erlebten auch weitere Störungsbilder entwickeln. Dennoch: Große Studien bestätigen die positiven Wirkungen.
Um das Potenzial psychoaktiver Substanzen nutzen zu können und Risiken so klein wie möglich zu halten, bedarf es jedoch weiterer, ausgefeilter Studiendesigns, denn im Gegensatz zu anderen Medikamenten, die man gut gegen Placebo und doppelblind testen kann, spüren Probanden die Wirkung des Verums ja eindeutig, weshalb sie schlicht wissen, dass sie kein Placebo erhalten haben – und Therapierende wissen es auch. Das kann Ergebnisse deutlich verzerren.
Auch die Erwartungshaltung der Mediziner spielt eine wesentliche Rolle gerade in diesen Studien, denn wie sie sich äußern, beeinflusst auch die Patienten. Zudem, so Dr. med. Mattgias Knop, Oberarzt am Max-Planck.Institut für Psychiatrie in München, im »Deutschen Ärzteblatt«, könne die Erwartung einer positiven Wirkung durch Forschende deren Interpretation der Ergebnisse womöglich beeinflussen.
Bevor also bewusstseinsverändernde Substanzen tatsächlich eine Zulassung erhalten können gegen Depressionen, Angststörungen oder PTBS, müssen sowohl in der Forschung als auch in der Zulassung und im Bereich des Rechts große Hürden genommen werden. Das haben hierzulande bislang erst wenige Substanzen geschafft. Dazu gehört intranasales Esketamin, das 2019 in den USA und der EU eine Zulassung bei therapieresistenten Depressionen erhielt.