Vaginales Mikrobiom in Balance |
Alles in Balance? Ein ausgeglichenes Vaginalmikrobiom mit vielen Laktobazillen sorgt für Wohlbefinden. / © Adobe Stock/deagreez
Dass das Darmmikrobiom wesentlichen Einfluss auf das Immunsystem und damit auf die Gesundheit hat, ist keine neue Erkenntnis. Dass die Mikroorganismen des Darms aber auch das Scheidenmilieu mitsteuern, überrascht dann doch. »Das vaginale Mikrobiom steht in täglichem Crosstalk mit dem des Darms und wird deshalb auch von ihm beeinflusst«, sagte Professor Dr. Werner Mendling, Leiter des Deutschen Zentrums für Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe am Helios Universitätsklinikum Wuppertal, bei einer digitalen Presseveranstaltung des Arzneimittelherstellers Dr. Kade.
Wie hat man sich diese Interaktion vorzustellen? 99 Prozent der auf und im menschlichen Organismus lebenden Bakterien sitzen im Darm. »Das dortige Mikrobiom enthält mehr Bakterien und Hundert bis Tausend Mal mehr Gene als der Mensch Körperzellen besitzt und nimmt zum Beispiel durch kurzkettige Fettsäuren als Stoffwechselprodukte dieser Bakterien über vielfältige Interaktionen mit der Immunologie, den Hormonen und Vitaminen entscheidend Einfluss auch auf die Vaginalgesundheit«, erklärte der Gynäkologe.
Das Mikrobiom der Vagina beherbergt mehr als 500 verschiedene Spezies – auch Pilze und Viren –, die sich in einem individuellen, typischerweise von Milchsäurebakterien dominierten Gleichgewicht befinden. Laut Mendling sind derzeit mehr als 260 verschiedene Lactobacillus-Arten bekannt. Sie sind es, die das im estrogenisierten Vaginalepithel gebildete Glykogen zu Glucose und Maltose umsetzen und daraus Milchsäure bilden – was den pH-Wert in den sauren Bereich (< 4,5) sinken lässt. Das erschwert pathogenen Keimen die Anheftung und Vermehrung. Erhöht sich der pH-Wert, nimmt die Zahl der Milchsäurebakterien ab.
Ein Mangel an Laktobazillen ermöglicht opportunistischen Erregern, sich auszubreiten. Das Risiko für vaginale Infektionen wie eine bakterielle Vaginose, Pilzerkrankungen und rezidivierende Harnwegsinfekte steigt damit. Die bakterielle Vaginose sieht Mendling als Paradebeispiel für eine Dysbiose im Ökosystem der Vagina. »Dabei überwuchert vor allem Gardnerella vaginalis die vaginalen Epithelzellen und verdrängt Laktobazillen.« Auch bei Antibiotikaanwendungen – sei es aufgrund der bakteriellen Vaginose, von Blasenentzündungen oder Infekten der oberen Atemwege – kann sich die Zahl der Milchsäurebakterien reduzieren und der Scheiden-pH-Wert erhöhen.
In der Regeneration der Vaginalschleimhaut mithilfe von Probiotika sieht der Gynäkologe eine gute Behandlungsoption, vor allem um Rezidiven vorzubeugen. Das entspricht auch den Empfehlungen der S2k-Leitlinien zur Behandlung der Vulvovaginalcandidose und der bakteriellen Vaginose. Mendling konkretisiert: »Die Studienlage ist nicht zufriedenstellend, da die verwendeten Probiotika, die Therapieziele, die Dauer der Gabe und die Indikation nicht vergleichbar sind. Aber: Metaanalysen zeigen eindeutig positive Ergebnisse. Wahrscheinlich sind Probiotika nicht zur primären Therapie der bakteriellen Vaginose geeignet – das müssen Clindamycin oder Metronidazol richten –, aber sie reduzieren die Rezidivhäufigkeit um etwa die Hälfte.«