Verhilft eine Extra-Dosis zu mehr Muskelmasse? |
Einige der proteinogenen Aminosäuren, die der Körper selbst herstellen kann, werden ebenfalls isoliert angeboten. Glutamin ist eine der häufigsten Aminosäuren im menschlichen Körper und dient unter anderem als Energiequelle für Zellen mit hohem Teilungsbedarf, wie Stammzellen, Immunzellen und Darmzellen. Bei intensiver körperlicher Aktivität kann der Glutaminbedarf des Körpers ansteigen. Es gibt derzeit allerdings keine von der Europäischen Kommission genehmigten gesundheitsbezogenen Aussagen (»Health Claims«) für Glutamin. Eingereichte Claims, die Effekte wie Muskelwachstum, Muskelreparatur, sowie die Unterstützung des Immunsystems und der Darmgesundheit betreffen, wurden geprüft, jedoch nicht zugelassen, da die wissenschaftliche Evidenz als nicht ausreichend angesehen wurde.
Arginin ist eine weitere proteinogene Aminosäure, die isoliert angeboten wird. Sie ist eine Vorläufersubstanz für Stickstoffmonoxid, das die Weite der Gefäße reguliert, und spielt eine Rolle bei der Entgiftung von Ammoniak, im Immunsystem und bei der Proteinsynthese. Studien zeigen, dass eine erhöhte Argininzufuhr die Gefäßfunktion verbessern kann. Citrullin, eine Arginin-Vorstufe, ist dabei effektiver, da es im Blut zu Arginin umgewandelt wird und so stabilere Argininspiegel ermöglicht. Citrullin ist wie Arginin als Monopräparat im Handel erhältlich. Für beide Aminosäuren gibt es derzeit allerdings ebenfalls keine zugelassenen Health Claims in der EU. Mögliche Vorteile für die Blutzirkulation, Gefäßgesundheit und Immunfunktion konnten bislang nicht ausreichend belegt werden. Daher dürfen solche mutmaßlichen Wirkungen nicht auf Lebensmitteln oder NEM beworben werden.
Studien zeigen, dass eine erhöhte Protein- und damit auch Aminosäureaufnahme bei gesunden Menschen die Nierenfunktion zumindest für die Dauer des Untersuchungszeitraums nicht beeinträchtigt. Allerdings können hohe Proteinmengen gastrointestinale Probleme wie Durchfall oder Blähungen verursachen. Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollten nicht übermäßig viel Eiweiß mit der Nahrung oder über NEM zu sich nehmen. Der Konsum isolierter Aminosäuren, insbesondere hohe Mengen an BCAA, könnte mit weiteren Gesundheitsrisiken verbunden sein. Um eine sichere Aufnahmemenge festzulegen, fehlen aktuell Daten aus Humanstudien. Basierend auf Ergebnissen aus Tierstudien hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Orientierungswerte für die zusätzliche, tägliche isolierte Aufnahme von Leucin (4 g), Isoleucin (2,2 g), Valin (2 g) und Gesamt-BCAA (8,2 g) für Erwachsene abgeleitet. Für Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende, Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion und Menschen, die eine proteinreduzierte Diät einhalten, gibt es keine Werte. Diese Gruppen verzichten am besten ganz auf isolierte BCAA-Zusätze oder besprechen die Einnahme mit ihrem Arzt.
Kraftsportler, die sich um eine ausreichende Proteinzufuhr für optimalen Muskelaufbau sorgen, können das auch ohne Supplemente allein durch eine abwechslungsreiche Ernährung sicherstellen. Tierische Proteine enthalten in der Regel alle unentbehrlichen Aminosäuren. Pflanzliche Proteine liefern oft nicht das vollständige Aminosäuren-Spektrum, weshalb geschickte Kombinationen sinnvoll sind. Getreide, das reich an Methionin, aber arm an Lysin, Threonin und Tryptophan ist, kann zum Beispiel mit Hülsenfrüchten verzehrt werden, die arm an Methionin, aber reich an Threonin und Tryptophan sind. Die isolierte Einnahme von EAA kann bei Diäten oder Ernährungsweisen, die den Proteinbedarf nicht ausreichend decken, hilfreich sein, oder im Alter, um Muskelabbau (Sarkopenie) entgegenzuwirken. Bei Krankheiten, die zu Muskelschwund führen, können EAA möglicherweise ebenfalls eine hilfreiche Ergänzung sein. Die Einnahme sollen Patienten mit ihrem Arzt oder einem Ernährungsberater abstimmen.