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Essenzielle Aminosäuren

Verhilft eine Extra-Dosis zu mehr Muskelmasse?

Die gezielte Zufuhr von Aminosäuren soll Vorteile wie ein besseres Muskelwachstum bringen. Für die meisten Menschen sind die Präparate jedoch nicht notwendig.
Nicole Schuster
11.12.2024  16:00 Uhr

Proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Milchprodukte, Eier, Hülsenfrüchte und Nüsse liefern wertvolle Eiweißbausteine. Einige davon kann der Körper nicht selbst herstellen. Diese als unentbehrlich (früher als »essenziell«) bezeichneten Aminosäuren sind Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin für Erwachsene sowie zusätzlich Histidin für Säuglinge. Leucin, Isoleucin und Valin sind die sogenannten verzweigtkettigen Aminosäuren und wichtig für Muskelproteine wie Aktin und Myosin. Sie sind bei Kraftsportlern beliebt.

Lysin trägt zur Bildung kollagener Proteine bei und wird für das Bindegewebe gebraucht. Methionin ist eine Vorstufe für S-Adenosylmethionin, den Hauptmethyl-Donator für viele Synthesen und Entgiftungsreaktionen im Stoffwechsel. Phenylalanin wird unter anderem für die Produktion der Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin benötigt, während Threonin zum Beispiel als Baustein für Proteine des Immunsystems dient. Tryptophan ist eine Vorstufe für Serotonin, das »Glückshormon«, und Melatonin, das »Schlafhormon«. Histidin hat eine starke Metallbindungskapazität und ist ein Bestandteil von Hämoglobin, dem eisenhaltigen Proteinkomplex in den roten Blutkörperchen, das Sauerstoff transportiert.

Während Nahrungsmittel stets eine Mischung aus Aminosäuren enthalten, gibt es einige isoliert in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) zu kaufen. Dabei kann es sich um Präparate mit den unentbehrlichen Eiweißbausteinen handeln, die als EAA (»essential amino acids«, also essenzielle Aminosäuren) angeboten werden, oder auch um die verzweigtkettigen, die als BCAA (branched-chain amino acids) erhältlich sind. Einzelne Aminosäuren wie Glutamin oder Arginin werden ebenfalls angeboten. 

Begrenzt von Vorteil

Muskeln bestehen zu etwa einem Drittel aus BCAA. Die BCAA-Präparate im Handel sind in verschiedenen Mischungsverhältnissen erhältlich, meist im Verhältnis 2:1:1 (Leucin:Valin:Isoleucin). Die NEM werden vor allem im Kraftsport verwendet. Sie gelangen nach der Aufnahme schnell ins Blut, dienen als Energielieferanten und werden rasch verstoffwechselt. Hersteller werben damit, dass die Einnahme während des Trainings einen katabolen Zustand, also einen Muskelabbau, verhindern kann und die Proteinsynthese ankurbelt.

Dabei ist zu beachten, dass für eine physiologisch signifikante Steigerung der Muskelproteinsynthese alle unentbehrlichen Aminosäuren ausreichend verfügbar sein müssen. Im nüchternen Zustand nutzt der Körper dafür Bausteine aus dem intrazellulären Pool freier Aminosäuren, der durch Muskelproteinabbau entsteht. Da diese restlichen benötigten Aminosäuren die begrenzende Ressource sind, kann eine Supplementierung mit BCAA allein die Muskelproteinsynthese nur begrenzt fördern.

Ergibt die Einnahme von EAA mehr Sinn? Sie sollen wie BCAA den Muskelaufbau unterstützen, die Regeneration verbessern und katabole Prozesse verhindern, die sonst zu Muskelabbau führen können. Es gibt Hinweise, dass die Kombination aus Widerstandstraining und EAA-Einnahme einen synergistischen Effekt bewirkt und Muskelsynthese, Myokine und Entzündungsfaktoren verbessert.

Besonders sinnvoll könnte die Einnahme vor dem Schlafengehen sein. In einem Review aus 2019 stellten Wissenschaftler fest, dass vor dem Schlafengehen aufgenommenes Protein während des Nachtschlafs effektiv verdaut und absorbiert wird, wodurch die Muskelproteinsyntheserate über Nacht ansteigt. Der abendliche Proteinkonsum scheint den Appetit beim Frühstück am nächsten Tag nicht zu verringern und ändert nichts am Ruheenergieverbrauch.

Führten die Probanden über einen längeren Zeitraum Widerstandstraining durch, hatte die Proteinergänzung vor dem Schlafengehen eine positive Wirkung auf die Zunahme von Muskelmasse und -kraft. Möglicherweise hilft eine Proteinzufuhr vor dem Schlafengehen auch, um Muskelmasse bei älteren Menschen zu erhalten, insbesondere in Kombination mit körperlicher Aktivität oder neuromuskulärer elektrischer Stimulation.

Als Einzelsubstanz

Einige der proteinogenen Aminosäuren, die der Körper selbst herstellen kann, werden ebenfalls isoliert angeboten. Glutamin ist eine der häufigsten Aminosäuren im menschlichen Körper und dient unter anderem als Energiequelle für Zellen mit hohem Teilungsbedarf, wie Stammzellen, Immunzellen und Darmzellen. Bei intensiver körperlicher Aktivität kann der Glutaminbedarf des Körpers ansteigen. Es gibt derzeit allerdings keine von der Europäischen Kommission genehmigten gesundheitsbezogenen Aussagen (»Health Claims«) für Glutamin. Eingereichte Claims, die Effekte wie Muskelwachstum, Muskelreparatur, sowie die Unterstützung des Immunsystems und der Darmgesundheit betreffen, wurden geprüft, jedoch nicht zugelassen, da die wissenschaftliche Evidenz als nicht ausreichend angesehen wurde. 

Arginin ist eine weitere proteinogene Aminosäure, die isoliert angeboten wird. Sie ist eine Vorläufersubstanz für Stickstoffmonoxid, das die Weite der Gefäße reguliert, und spielt eine Rolle bei der Entgiftung von Ammoniak, im Immunsystem und bei der Proteinsynthese. Studien zeigen, dass eine erhöhte Argininzufuhr die Gefäßfunktion verbessern kann. Citrullin, eine Arginin-Vorstufe, ist dabei effektiver, da es im Blut zu Arginin umgewandelt wird und so stabilere Argininspiegel ermöglicht. Citrullin ist wie Arginin als Monopräparat im Handel erhältlich. Für beide Aminosäuren gibt es derzeit allerdings ebenfalls keine zugelassenen Health Claims in der EU. Mögliche Vorteile für die Blutzirkulation, Gefäßgesundheit und Immunfunktion konnten bislang nicht ausreichend belegt werden. Daher dürfen solche mutmaßlichen Wirkungen nicht auf Lebensmitteln oder NEM beworben werden.

Reich an Abwechslung

Studien zeigen, dass eine erhöhte Protein- und damit auch Aminosäureaufnahme bei gesunden Menschen die Nierenfunktion zumindest für die Dauer des Untersuchungszeitraums nicht beeinträchtigt. Allerdings können hohe Proteinmengen gastrointestinale Probleme wie Durchfall oder Blähungen verursachen. Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollten nicht übermäßig viel Eiweiß mit der Nahrung oder über NEM zu sich nehmen. Der Konsum isolierter Aminosäuren, insbesondere hohe Mengen an BCAA, könnte mit weiteren Gesundheitsrisiken verbunden sein. Um eine sichere Aufnahmemenge festzulegen, fehlen aktuell Daten aus Humanstudien. Basierend auf Ergebnissen aus Tierstudien hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Orientierungswerte für die zusätzliche, tägliche isolierte Aufnahme von Leucin (4 g), Isoleucin (2,2 g), Valin (2 g) und Gesamt-BCAA (8,2 g) für Erwachsene abgeleitet. Für Kinder, Jugendliche, Schwangere, Stillende, Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion und Menschen, die eine proteinreduzierte Diät einhalten, gibt es keine Werte. Diese Gruppen verzichten am besten ganz auf isolierte BCAA-Zusätze oder besprechen die Einnahme mit ihrem Arzt.

Kraftsportler, die sich um eine ausreichende Proteinzufuhr für optimalen Muskelaufbau sorgen, können das auch ohne Supplemente allein durch eine abwechslungsreiche Ernährung sicherstellen. Tierische Proteine enthalten in der Regel alle unentbehrlichen Aminosäuren. Pflanzliche Proteine liefern oft nicht das vollständige Aminosäuren-Spektrum, weshalb geschickte Kombinationen sinnvoll sind. Getreide, das reich an Methionin, aber arm an Lysin, Threonin und Tryptophan ist, kann zum Beispiel mit Hülsenfrüchten verzehrt werden, die arm an Methionin, aber reich an Threonin und Tryptophan sind. Die isolierte Einnahme von EAA kann bei Diäten oder Ernährungsweisen, die den Proteinbedarf nicht ausreichend decken, hilfreich sein, oder im Alter, um Muskelabbau (Sarkopenie) entgegenzuwirken. Bei Krankheiten, die zu Muskelschwund führen, können EAA möglicherweise ebenfalls eine hilfreiche Ergänzung sein. Die Einnahme sollen Patienten mit ihrem Arzt oder einem Ernährungsberater abstimmen.

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