Vitamin A5: Für Gehirn und Nerven |
Barbara Döring |
19.03.2025 09:52 Uhr |
Gemüse ist reich an Vitamin A5, allen voran grünes Blattgemüse wie Spinat. / © Adobe Stock/ehaurylik
Dass Forscher ein neues Vitamin identifizieren, kommt nicht allzu häufig vor. Im Jahr 2021 stellten Wissenschaftler erstmals seit 80 Jahren eine neue Verbindung und ihre Vorläufer vor, die sie gemeinsam als Vitamin A5 einstufen. Vitamin A umfasst eine Gruppe fettlöslicher Verbindungen, die vor allem an Rezeptoren im Zellkern vielfältige Wirkungen entfalten. Im Körper werden die unterschiedlichen Vitamin-A-Formen in funktionelle Verbindungen wie Retinal umgewandelt, das als Bestandteil des Sehpigments für den Sehvorgang wichtig ist, oder Retinsäure, die bei der Regulation der Genaktivität eine wesentliche Rolle spielt.
Die Regulation der Genaktivitäten übermitteln die funktionellen Formen von Vitamin A über die beiden Rezeptorfamilien Retinoid-X-Rezeptoren (RXR) und Retinsäure-Rezeptoren (RAR). Diese Rezeptoren docken an der DNA an und beeinflussen die Expression von mehr als 500 verschiedenen Genen. Vitamin A spielt demnach eine zentrale Rolle bei der Zellproliferation und -differenzierung und bei zahlreichen physiologischen Vorgängen wie der Spermatogenese, Einnistung des Embryos, Entwicklung und Differenzierung von Organen und Geweben sowie bei der Funktion des Immunsystems, des Nervensystems und des Lipid- und Glukosestoffwechsels.
Zwar sind bereits synthetische Verbindungen wie Retinoid-Analoga bekannt, die an den RXR-Rezeptor binden, doch lange Zeit war unklar, welche Substanz den Rezeptor im Körper aktiviert. »Analytik-Experten konnten 30 Jahre lang die Identität der körpereigenen Liganden nicht schlüssig nachweisen«, erläuterte Dr. Dr. Ralph Rühl bei seinem Vortrag beim 62. Wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) im März in Kassel. Der Chemiker forscht seit Jahrzehnten zu Vitamin A und Carotinoiden, unter anderem an der Universität Debrecen, Ungarn. 2015 wies er mit seiner Arbeitsgruppe nach, dass die Verbindung 9-cis-13,14-Dihydro-Retinsäure (9CDHRA) im Mausmodell in der Lage ist, den RXR-Rezeptor zu aktivieren und in menschlichen kultivierten dendritischen Zellen die Genaktivität in ähnlicher Weise wie synthetische RXR-Liganden steuert.
Im Körper sei die Substanz zudem in einer Menge nachgewiesen worden, die für die Rezeptoraktivierung ausreicht, erläuterte Rühl. Zudem wiesen die Forscher im Körper mit 9-cis-13,14-Dihydro-beta-Karotin (9CDHBC) und 9-cis-14,14-Dihydroretinol (9CDHROL) direkte Vorläufer der Substanz nach. Gemeinsam mit dem aktiven Liganden 9CDHRA stufen sie diese als neues Vitamin A5 ein, da sie einen von Vitamin A1 unabhängigen Signalweg aktivieren und unabhängig von Vitamin A1 vom Körper aufgenommen werden müssen.
Laut der Forschungsergebnisse hat Vitamin A5 direkten Einfluss auf physiologische und neuroprotektive Funktionen, die systemisch oder direkt im Gehirn vermittelt werden. Der Vitamin-Neuling soll die Signalübertragung von Dopamin, die Bereinigung von β-Amyloid und anderen Ablagerungen im Gehirn sowie weitere wichtige Funktionen in Gehirn und Nerven kontrollieren und ein entscheidender Faktor für die psychische Gesundheit und ein gesundes Altern des Gehirns sein. Zudem könnte es zum Schutz vor Abhängigkeiten gegenüber Drogen sowie von Erkrankungen des Nervensystems wichtig sein. Studien weisen zudem auf wichtige Funktionen von Vitamin A5 bei kognitiven Leistungen hin.