Vitaminpräparate für Kinder – nur mit Vorsicht |
Nahrungsergänzungsmittel für Kinder sind oft entsprechend der Zielgruppe gestaltet. / Foto: Getty Images/colortheses
Viele Hersteller haben längst auch die Jüngsten als Zielgruppe für Vitamine, Mineralstoffe und Pflanzenextrakte erkannt. »Etwa 14 bis 19 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren nehmen regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel«, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Anke Weißenborn vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). »Das ist ein signifikanter Anteil.« Bei jüngeren Kindern bis zu sechs Jahren seien es noch unter zehn Prozent.
»Es wird stark in den sozialen Medien und von Influencern für Kinder-Nahrungsergänzungsmittel geworben, häufig mit Aussagen, die nicht einmal zulässig sind«, sagt Angela Clausen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. »Oft suggeriert die Werbung, dass Kinder, wenn sie vor neuen Herausforderungen stehen, unbedingt Extra-Vitamine brauchen, zum Beispiel, wenn sie in die Schule kommen«, so die Expertin.
Doch wie sinnvoll sind Vitaminpräparate für Kinder überhaupt? Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht die Mittel kritisch: »Wir haben weder bei Kindern noch bei Erwachsenen einen Zusatznutzen festgestellt«, sagt Weißenborn, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachgruppe Ernährungsrisiken, Allergien und Neuartige Lebensmittel am BfR. »Wenn wir über die Ernährung ausreichend versorgt sind, nützt es gar nichts, zusätzliche Vitamine und Mineralstoffe einzunehmen«, so die Expertin.
Kinder in Deutschland seien im Allgemeinen über die normale Ernährung mit ausreichend Nährstoffen versorgt. Nur bei einigen wenigen wie etwa Vitamin D und Jod werde der von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlene Referenzwert nicht von allen erreicht. »Aber das heißt nicht, dass diese Kinder automatisch im Mangel sind«, so Weißenborn. Und für Säuglinge werde eine Vitamin-D-Gabe von Ärzten ohnehin empfohlen.
»In bestimmten Fällen können Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein, etwa bei Kindern mit Stoffwechselerkrankungen«, sagt Berthold Koletzko, Kinderarzt und Experte für Stoffwechsel und Ernährung am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München. Es gebe auch bestimmte Phasen im Wachstum, in denen es zu Lücken in der Nährstoffversorgung kommen könne, etwa bei Omega-3-Fettsäuren und Eisen. Idealerweise könnten diese aber durch eine jeweils frisch zubereitete, ausgewogene Ernährung ausgeglichen werden.
»Doch die Lebenswirklichkeit vieler Familien wird damit nicht immer getroffen«, sagt Koletzko. Oftmals bestimme Hektik den Alltag, eine gesunde Ernährung sei nicht immer gewährleistet, so der Kinderarzt. Trotzdem rät er davon ab, einfach Vitaminpräparate zu kaufen. »Man sollte zunächst immer Kinder- und Jugendärzte um Rat bitten«, so Koletzko.
Auch Anke Weißenborn empfiehlt, eine Diagnostik vom Arzt durchführen lassen und zu schauen, ob tatsächlich eine zusätzliche Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen angeraten ist. Vitaminpräparate könnten langfristig auch gesundheitliche Schäden anrichten, warnt sie. »Was über den normalen physiologischen Bedarf hinausgeht, kann für den Körper eine Belastung sein.«