Wann operieren, wann beobachten? |
Juliane Brüggen |
02.05.2023 12:00 Uhr |
Die Schilddrüse ist unterhalb des Kehlkopfes lokalisiert und hat eine Schmetterlingsform. Ist sie vergrößert, können Beschwerden beim Schlucken oder ein Druckgefühl entstehen. / Foto: Adobe Stock/New Africa
»Wir unterscheiden drei Kategorien, die prinzipiell gesundheitliche Konsequenzen für den Patienten haben können: Bösartige Schilddrüsenknoten, gutartige Knoten, die Hormone produzieren – sogenannte heiße Knoten –, und gutartige Knoten, die keine Hormone produzieren«, erklärte Privatdozent Dr. Stefan Karger, Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie. Die für Patienten relevanteste Kategorie – Schilddrüsenkrebs – komme mit einer Wahrscheinlichkeit von 1,1 Prozent nur selten vor. In Industrieländern sei aber eine steigende Tendenz zu verzeichnen, vor allem bei jüngeren Frauen.
Mehr als 20 Prozent aller Knoten sind heiße Knoten, das heißt, sie produzieren autonom Schilddrüsenhormone. Verursachen sie keine Überfunktion und hat der Patient keine Beschwerden durch das vergrößerte Organ, kommt Karger zufolge eine »Watch-and-wait«-Strategie infrage, das heißt ein beobachtendes Abwarten mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen. »Ein Drittel der heißen Knoten löst aber eine latente oder sogar manifeste Schilddrüsenüberfunktion aus«, ergänzte er. Zu erkennen ist dies an den Laborwerten: Ist der TSH-Wert (Thyroidea stimulierendes Hormon) erniedrigt, die freien Schilddrüsenhormone liegen aber im Normbereich, spricht man von einer latenten Überfunktion. Diese verursacht oft noch keine spezifischen Beschwerden. Sind die Schilddrüsenhormon-Werte hingegen bei gleichzeitig erniedrigtem TSH-Wert erhöht, liegt eine manifeste Überfunktion vor, die sich in stärkeren Beschwerden äußert, zum Beispiel Herzrasen, Durchfall, Schwitzen und Unruhe.
Bei jüngeren Personen könne man einen leicht erniedrigten TSH-Wert noch tolerieren, ordnete der Mediziner ein, wobei eine bestehende Therapie mit Schilddrüsenhormonen trotzdem immer im Normbereich eingestellt werden sollte. Bei älteren Patienten ab 60 Jahren sei hingegen Vorsicht geboten, da schon eine latente Überfunktion gravierende Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und den Knochenstoffwechsel haben könne. Nicht selten treten Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern auf – das Risiko für Schlaganfälle sowie für Herztod und Herzinsuffizienz ist erhöht. Außerdem fördert die Überfunktion das Auftreten von Osteoporose: Das Risiko für Schenkelhalsfrakturen steigt um 36, das Risiko für Wirbelkörperbrüche sogar um 51 Prozent. »Diese stillen Konsequenzen sollte man nicht unterschätzen«, warnte Karger.