Wann operieren, wann beobachten? |
Juliane Brüggen |
02.05.2023 12:00 Uhr |
Die erste Diagnose der Knoten erfolgt oft beim Hausarzt – entweder, weil Symptome vorliegen oder ein erweiterter Check-up darauf hinweist, wie Günter Stephan, Facharzt für Allgemeinmedizin, erläuterte. Bei unauffälligen Knoten reiche es, den Verlauf zu beobachten: »Wir nutzen zur Kontrolle die körperliche Untersuchung, vor allem den Ultraschall sowie Labortests.« Ob die Kontrollen jährlich, alle sechs Monate oder engmaschiger erfolgen, sei individuell und orientiere sich am jeweiligen Befund. Stephan betonte, dass ein besonderes Augenmerk auf tachykarden Rhythmusstörungen liegen müsse. »Aktives Nachschauen nach Vorhofflimmern ist eine wichtige hausärztliche Aufgabe, angesichts der dramatischen Konsequenzen, die eine Nicht-Diagnose haben könnte.«
Misst der Knoten einen Zentimeter oder mehr, bedarf es einer Schilddrüsen-Szintigrafie zur weiteren Abklärung. »Nur mit dieser lassen sich heiße Knoten sicher identifizieren – und dies sogar zu einem sehr frühen Zeitpunkt, noch bevor sich Veränderungen bei den Laborwerten abzeichnen«, erläuterte Dr. Gesche Wieser, Vorstandsmitglied des BDN. Bei Krebsverdacht kommen noch weitere Verfahren zum Einsatz wie die Feinnadelpunktion, die laut der Nuklearmedizinerin aber unkompliziert und kaum schmerzhaft ist. »Bei der Punktion entnehmen wir mit einer dünnen Nadel Zellen aus verdächtigen Schilddrüsenknoten«, erklärte sie. Es sei wichtig, den Krebs früh zu erkennen, denn: »In frühen Stadien ist die Erkrankung gut behandelbar und kann in den meisten Fällen geheilt werden.«
»Die meisten Knoten bedürfen keiner Therapie«, stellte Professor Dr. Michael Kreißl, Leiter der Nuklearmedizin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, fest. Definitiv behandlungsbedürftig ist Schilddrüsenkrebs. Die Therapie besteht in der Regel aus einer Operation, bei der die Schilddrüse komplett entfernt wird, und einer ergänzenden Radiojodtherapie. Bei dieser nehmen Patienten im stationären Setting für einen begrenzten Zeitraum täglich Kapseln mit radioaktivem Jod ein, das sich in eventuell verbliebenem Schilddrüsenkrebsgewebe anreichert und es zerstört – eine »Bestrahlung von innen« sozusagen. »Internationale Daten aus großen Krebsregistern zeigen, dass die Radiojodtherapie nach Operation in vielen Tumorstadien mit einem längeren Überleben verknüpft ist«, erläuterte er. »Es muss jedoch jeder Fall individuell betrachtet werden.«
Auch bei heißen Knoten ist mitunter eine Operation erforderlich. Ob die Schilddrüse ganz oder nur teilweise entfernt wird, hängt vom Befund und der Lokalisation der Knoten ab. Die Komplikationsrate ist laut dem Experten gering und liegt bei beidseitiger Entfernung bei etwa 2 Prozent dauerhafter Nebenschilddrüsen-Unterfunktion und circa 4 bis 6 Prozent zeitweiliger Stimmlippenlähmung. Alternativ kommt eine Radiojodtherapie infrage. »Diese wird in Deutschland ›maßgeschneidert‹ angewendet, um das kranke Gewebe gezielt zu zerstören und das gesunde zu schonen«, so Kreißl. Als Vorteile nannte er die Volumenreduktion der Knoten um bis zu 90 Prozent und die Nicht-Invasivität, als Nachteil den verzögerten Behandlungseffekt von einigen Wochen bis Monaten.
Immer häufiger kommen lokalablative Verfahren wie Radiofrequenzablation, Mikrowellenablation, Laserablation oder hochfokussierter Ultraschall zum Einsatz. Diese eignen sich nur, wenn wenige Knoten vorliegen – denn jeder Knoten muss einzeln behandelt werden – und ein Krebsverdacht ausgeschlossen ist. »Erste Daten zeigen aber, dass die Radiojodtherapie den lokalablativen Verfahren bei heißen Knoten überlegen ist«, sagte der Mediziner. Bei nicht heißen Knoten könne man aber gute Ergebnisse erzielen.
Bei gutartigen, nicht heißen Knoten kann laut Kreißl außerdem eine medikamentöse Therapie mit Jod und/oder Schilddrüsenhormonen dabei helfen, das Wachstum zu bremsen. Man könne dadurch zusätzlich eine leichte Volumenreduktion von circa 17 Prozent erreichen. Operiert wird nur, wenn der Patient durch die vergrößerte Schilddrüse beeinträchtigt ist und zum Beispiel nicht mehr richtig schlucken kann.