Warum Nostalgie schön und schmerzhaft zugleich ist |
Gerade an Weihnachten schwelgen viele Menschen in der Vergangenheit. / Foto: Getty Images/catscandotcom
Das Jahresende ist auch die Zeit der Rückbesinnung. Man denkt zum Beispiel an die vielen schönen Erlebnisse des Jahres zurück, erinnert sich an die Weihnachtsfeste als die Großmutter noch lebte und wie aufregend Silvester als Kind war. Ein wenig wehmütig fühlt man sich dabei. Aber es ist auch ein wohliges Gefühl, in Nostalgie zu schwelgen. Früher schien vieles besser gewesen zu sein – und das Leben angesichts einer Welt in gefühltem Dauerkrisenmodus deutlich einfacher. Aber war das tatsächlich so? Und welche Gefahr birgt dieses Gefühl?
Um das zu beantworten, muss man zunächst klären, was Nostalgie eigentlich ist. »Nostalgie bedeutet, dass man sich nach etwas aus der Vergangenheit sehnt, das man vermisst«, sagt der Historiker Tobias Becker von der Freien Universität in Berlin. Er beschäftigt sich schon länger mit der Geschichte der Nostalgie und hat gerade ein Buch dazu veröffentlicht. Nostalgie habe aber auch immer etwas Schmerzhaftes, sagt er. »Wir erinnern uns an etwas Schönes zurück, aber wir wissen, dass der Moment vorbei ist und wir ihn nicht wiederholen können.«
Kriege in der Ukraine und in Gaza, regelmäßig wiederkehrende Nachrichten über Naturkatastrophen, die Klimakrise – gerade in Zeiten von Umbrüchen schwelgten die Menschen in Nostalgie, sagt der Kölner Medienpsychologe Tim Wulf. Das könnten individuelle Veränderungen sein wie ein Job-Wechsel oder solche, die die gesamte Gesellschaft beträfen wie die Corona-Pandemie. »Nostalgie kann eine psychologische Ressource sein.« Wenn man zum Beispiel eine Prüfung bestehen müsse, dann könne man sich an Momente zurückerinnern, in denen man etwas Ähnliches bewältigt habe.
Objektiv betrachtet war in früheren Zeiten natürlich nicht alles besser. Da reicht schon ein Blick in die Geschichtsbücher. »Letztlich weiß man immer auch, wenn man nostalgisch ist, dass es nie so war, wie das, wonach man sich da gerade sehnt – dass das natürlich eine imaginierte Vergangenheit ist«, sagt der Germanist Stephan Pabst von der Universität Halle, der in diesem Jahr eine Tagung organisiert hatte, bei der sich Forschende verschiedener Fachrichtungen kritisch mit Nostalgie auseinandergesetzt haben.