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Zwischen Aberglaube und Hausmittel
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Warzen selber besprechen – so funktionierte das alte Heilritual

Gewöhnliche Warzen (Verrucae vulgares) treten meist an Händen, Füßen oder am Kopf auf. Sie sind zwar harmlos, aber unschön. Daher suchen die Betroffenen nach Wegen, sie wieder los zu werden. Die Volksmedizin kennt eine große Anzahl mystischer, kurioser, manchmal auch abstoßender Warzenmittel. Auch die moderne Medizin muss anerkennen, dass diese manchmal sogar helfen.
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AutorKontaktErnst-Albert Meyer
Datum 22.12.2025  10:00 Uhr

Warzen mit Erbsen oder Speck bedrücken

Ein verbreiteter Brauch ist auch das »Bedrücken« der Warzen, wofür häufig Erbsen verwendet werden. Vor rund 2000 Jahren empfahl der bekannte griechische Arzt Dioskurides in seiner Arzneimittellehre (Materia medica), bei zunehmenden Mond jede Warze mit einer Erbse zu drücken, also zu berühren. Dann muss der Betroffene die Erbsen in ein feines Leinentuch binden und hinter sich werfen. Ist dies getan, werden auch die Warzen verschwinden, so die Auffassung. In anderen Rezepten wird empfohlen, für jede Warze drei Erbsen zu nehmen, die aber gestohlen sein müssen. Hat der Betroffene die Erbsen auf die Warzen gedrückt, muss er sie danach ins Feuer oder in einen Brunnen werfen. Sowie die Erbsen im Feuer verbrennen oder im Brunnen verrotten, sollten auch die Warzen vergehen.

Ein anderes Rezept: Der von Warzen Geplagte entwendet aus einer Pfanne, in der Speck gebraten wird, unbemerkt drei Speckstückchen, drückt sie auf die Warzen und legt sie dann in die Pfanne zurück. Alsbald werden seine Warzen verschwinden. Stattdessen kann er auch ein Stück Fleisch auf die Warzen drücken und muss es dann unter der Dachtraufe vergraben. Verfault das Fleisch, so verschwinden auch die Warzen. In anderen Gegenden musste es blutrünstiger zugehen: Auf die Warzen sollte ein frisch abgeschnittener, noch blutender Kopf eines Hechtes gedrückt und dieser anschließend unter der Dachtraufe vergraben werden.

Totenglocke und Mond bei Warzen

Der mit Warzen Behaftete konnte sich von diesen befreien, indem er, solange die Totenglocke bei einer Beerdigung läutete, stillschweigend an ein fließendes Gewässer ging, stromab eine Handvoll Wasser schöpfte, vorwärtsgehend damit seine Warzen wusch und sprach: »Sie läuten den Toten in das Grab, ich wasche meine Warzen ab.«

Die Bewohner anderer Gegenden sollten die Warzen mit Weihwasser wegwaschen. Auch das Wasser, das dem Vieh beim Trinken aus dem Maul läuft, helfe gut gegen Warzen, hieß es. Desgleichen wurde auch das Wasser empfohlen, in dem der Schmied die heißen Eisen löscht.

In vielen Teilen Europas rufen die Menschen den Mond an, um sich von Warzen zu befreien. So auch in der Lüneburger Heide. Mit Blick auf den zunehmenden Mond streicht man dort dreimal kreuzweise über die Warzen und sagt dazu folgenden Spruch: »Wat ik anseh, dat gewinn, wat ik wasch, dat verswinn.«

Auch der sonntägliche Kirchgang galt als gute Möglichkeit, sich von seinen Warzen zu trennen. Wer mit Warzen behaftet war, sollte aufpassen, ob nicht zwei im Gottesdienst miteinander schwatzten oder sich sonst ungebührlich benahmen. Bemerkte er dies, sollte er mit seiner linken Hand die Warzen anfassen und dreimal sagen: »Was ich da seh, ist eine Sünd’; ich da anfass, das verschwind!«

In Österreich und Deutschland behandeln die Menschen ihre Warzen auch mit verschie­denen Arzneipflanzen, vor allem mit Schöllkraut (Chelidonium majus), auch Warzenkraut genannt. Sein ätzender gelber Milchsaft muss bei abnehmendem Mond auf die Warzen geträufelt und dieser Vorgang so oft wiederholt werden, bis die Warzen verschwinden. Als Warzenkräuter sind ferner bekannt: Wolfsmilch (besonders Zypressen-Wolfsmilch, Euphorbia cyparissias), Gemeiner Seidelbast (Daphne mezereum) und die verschiedenen Arten der Fetthenne (Sedum-Arten). Desweiteren soll das Auftragen von Scheidewasser aus der Apotheke (verdünnte Salpetersäure), von Tabaksaft aus Pfeifen oder Pech die Warzen schwinden lassen.

»Viele Wunderkuren gibt’s jetzunder, bedenkliche, gesteh ich’s frei – Natur und Kunst tun große Wunder, und es gibt Schelme nebenbei!«
Goethe über Wundermittel
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