Was die Demenztherapie so schwierig macht |
Ein ähnliches Prinzip wie Aducanumab verfolgt der Antikörper Lecanemab. Er hat Ende 2022 für große Aufmerksamkeit gesorgt, da in einer Phase-3-Studie gezeigt werden konnte, dass Lecanemab nicht nur die Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn der Studienteilnehmer abbaut, sondern auch den Krankheitsverlauf verzögern kann. Gleichzeitig fielen die Nebenwirkungen im Vergleich zu anderen Wirkstoffen mit gleichem Ansatz geringer aus. So konnten Hirnschwellungen nur bei 17 Prozent der Studienteilnehmer beobachtet werden und verliefen in den meisten Fällen symptomlos. Engmaschige Kontrollen sind dennoch notwendig, um Komplikationen wie Hirnblutungen frühzeitig zu erkennen. Im Rahmen der Studie verstarben drei Menschen. Die entwickelnden Pharmaunternehmen (Eisai und Biogen) weisen in einer Stellungnahme darauf hin, dass diese Todesfälle nicht auf die Einnahme von Lecanemab zurückzuführen seien, sondern in zwei Fällen mit der Einnahme von Blutverdünnern assoziiert wären.
Fraglich ist derzeit noch, ob der Effekt, den Lecanemab erzielt, für Betroffene im Alltag spürbar ist. Hoffnung weckt, dass sich der krankheitsverzögernde Effekt mit zunehmender Dauer der Wirkstoffeinnahme verstärkt hat. Ob dies auch nach der untersuchten Einnahmezeit von 18 Monaten der Fall ist, soll nun weiter beobachtet werden. In den USA wurde dennoch bereits Anfang dieses Jahres eine vorläufige Marktzulassung durch die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA erteilt.
Ein Antrag auf Zulassung bei der FDA soll dieses Jahr auch für den Antikörper Donanemab gestellt werden. Er soll eine veränderte Form der Beta-Amyloid-Proteine, das sogenannte N3-Pyroglutamat (N3pG), binden und verringern. N3pG gilt als wesentlicher Faktor für die schädlichen Proteinverklumpungen im Gehirn.
Auch wenn die derzeitigen Entwicklungen in der Demenzforschung Hoffnung wecken, darf eines nicht vergessen werden: Keines der untersuchten Medikamente kann die Erkrankung heilen. Demenzforscher gehen sogar inzwischen davon aus, dass es niemals das eine Heilmittel gegen Alzheimer geben wird. »Wir werden die Alzheimer-Krankheit vermutlich nicht mit einem Wirkstoff heilen können, sondern es werden Kombinationstherapien gebraucht, die individuell an unterschiedlichen Krankheitsmechanismen ansetzen«, sagt etwa Dr. Linda Thienpont, Leiterin Wissenschaft bei der Alzheimer Forschung Initiative in einer Stellungnahme zu den Ergebnissen der Phase-3-Studie des Alzheimer-Wirkstoffs Lecanemab. Wichtig sei es deshalb auch, andere Forschungsansätze zu verfolgen, die sich mit weiteren charakteristischen Merkmalen der Erkrankung wie Ablagerungen des Tauproteins oder entzündlichen Prozessen beschäftigen.
Entscheidend für die Behandlung von Demenzen könnte zudem das Timing sein. Aktuell hinkt die Medizin der Demenz hinterher. Werden die ersten Krankheitssymptome bemerkt, ist das Gehirn bereits irreparabel geschädigt. Krankhafte Veränderungen im Gehirn treten bei Alzheimer allerdings schon mehr als 20 Jahre vor den Symptomen auf. Würden diese rechtzeitig erkannt und behandelt, könnte der Effekt größer ausfallen, hoffen Wissenschaftler. Sie arbeiten deshalb an neuen und einfach anwendbaren Methoden zur Früherkennung. Ein Beispiel dafür ist ein Bluttest, der von Wissenschaftlern der Universität Bochum gemeinsam mit niederländischen Kollegen entwickelt wurde. Er bestimmt die Fehlfaltung des Beta-Amyloid, die bei Alzheimer-Betroffenen bereits zehn Jahre vor der eigentlichen Plaquebildung messbar ist. Die Genauigkeit des Frühtests soll derzeit bei 90 Prozent liegen.
Auch der Prävention könnte eine wichtige Rolle zukommen. So geht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer Leitlinie zur Demenzprävention davon aus, dass 30 Prozent der Demenzfälle durch einen gesunden Lebensstil vermieden werden könnten. Als bewiesen gilt, dass körperliche Bewegung, ausgewogene Ernährung, geistige Aktivität und soziale Teilhabe das Krankheitsrisiko reduzieren, während Übergewicht, Bluthochdruck, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Diabetes, Depressionen und eine unbehandelte Hörminderung das Erkrankungsrisiko erhöhen. Von Bedeutung könnte zudem die frühzeitige Umsetzung von Präventionsmaßnahmen sein. Da der Krankheitsprozess 15 bis 30 Jahre vor dem Auftreten der Symptome startet, sollte bereits im mittleren Lebensalter mit der Umsetzung begonnen werden.