Was können Gesundheits-Apps? |
Als großes Problem sehen Experten bei vielen Apss die Datensicherheit. Oft ist dem Nutzer nicht klar, wem er seine sensiblen Daten anvertraut und wie derjenige damit umgeht. Nicht immer geht aus der Datenschutzerklärung hervor, wo und wie die Daten gespeichert und ob sie möglicherweise an Dritte weitergegeben werden. Manchmal fordert die App auch den Zugriff auf Daten, die für die Funktion offensichtlich nicht von Belang sind. Besonders bei kostenlosen Apps besteht die Gefahr, dass Nutzer mit der Preisgabe ihrer Daten »bezahlen«.
In einer 2019 veröffentlichten Studie zeigte sich beispielsweise, dass 29 von 36 topplatzierten Apps zur Depressionsbekämpfung oder Raucherentwöhnung Nutzerdaten an Facebook und Google weitergaben. Nur zwölf davon legten dies in ihrer Datenschutzerklärung offen. Zumindest einen gewissen Schutz vor solchen Praktiken bieten Datenschutz-Siegel wie »Trusted App«, »ePrivacyApp« oder das Software-Prüfzeichen des TÜV Süd.
Wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit von Medizin-Apps untersuchen, gibt es bislang nur wenige. Wohl die meisten Daten liegen zu Diabetes-Apps vor. In einer Metaanalyse von 14 Studien mit insgesamt 1360 Teilnehmern sank der Langzeit-Blutzuckerwert HbA1c bei Typ-2-Diabetikern im Vergleich zur Kontrollgruppe um knapp 0,5 Prozent. Das liegt etwa im Bereich dessen, was auch eine medikamentöse Therapie schafft. Auch für einige digitale Anwendungen bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen, Tinnitus und Rückenschmerzen ist die Wirksamkeit belegt.
In vielen Untersuchungen zeigt sich, dass Medizin-Apps mit ärztlicher oder psychotherapeutischer Begleitung generell besser funktionieren, als wenn der Patient das Programm völlig in Eigenregie absolviert. Auch scheint ihr Einsatz bei jüngeren Menschen tendenziell erfolgversprechender zu sein als bei älteren. Valide Ergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien fehlen jedoch in der Regel.
Seit Oktober 2020 sind geprüfte Medizin-Apps mit belegtem Nutzen in Deutschland erstmals auch auf Rezept erhältlich. Geregelt ist das durch das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG), das Ende 2019 in Kraft trat. Die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Datensicherheit, Datenschutz und Funktionalität geprüft und in einem eigenen Verzeichnis gelistet. Den Antrag dafür müssen die Hersteller stellen, Voraussetzung ist ein CE-Kennzeichen.
Nach der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis werden die Kosten für die App zunächst ein Jahr lang vorläufig von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet. In dieser Zeit muss der Anbieter beim BfArM durch randomisiert-kontrollierte Studien oder vergleichbare Evidenz nachweisen, dass seine App die medizinische Versorgung der Patienten verbessert – also die Lebensqualität erhöht, die Krankheit verkürzt oder Symptome mildert.
Bisher haben es neun Anwendungen in das DiGA-Verzeichnis geschafft (Stand Anfang Januar 2020). Dauerhaft aufgenommen sind eine App zur Behandlung von nicht organischen Schlafstörungen (somnio) und eine Software zur Therapie von sozialen Phobien, Platzangst und bestimmten Panikstörungen (velibra). Diese beiden Anwendungen konnten bereits bei der Antragstellung durch valide Daten einen »positiven Versorgungseffekt« nachweisen. Noch in der zwölfmonatigen Erprobungsphase befinden sich eine weitere App gegen Angststörungen (Invirto) sowie Hilfsprogramme bei Tinnitus (Kalmeda), Rücken-, Knie- und Hüftschmerzen (Vivira) und starkem Übergewicht (zanadio). Weitere stehen bereits in den Startlöchern, beispielsweise für psychotherapeutische Indikationen oder Atemwegserkrankungen.
Die Kosten für die Apps im DiGA-Verzeichnis, die oft mehrere Hundert Euro pro Quartal betragen, übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung. Voraussetzung ist entweder eine ärztliche Verordnung oder der Nachweis einer entsprechenden Indikation durch den Patienten selbst – zum Beispiel anhand von Behandlungsunterlagen. Der Versicherte erhält dann einen Code, mit dem er die App kostenfrei herunterladen und freischalten kann.
Generell sind Ärzte nicht verpflichtet, Apps zu verschreiben. Die meisten stehen dem Einsatz heute jedoch deutlich aufgeschlossener gegenüber als noch vor einigen Jahren. In einer aktuellen Studie der Stiftung Gesundheit stimmten fast drei Viertel der 546 befragten Ärzte und Psychotherapeuten zu, dass gezielt eingesetzte Gesundheits-Apps hilfreich sein können. Sechs Jahre zuvor hatte sich die Mehrheit noch skeptisch gezeigt. Allerdings ist auch heute noch knapp die Hälfte der Ansicht, dass Apps signifikante Risiken bergen, die noch nicht völlig geklärt sind. Dennoch sind 57 Prozent bereit, medizinische Apps mit Augenmaß zu verordnen, wenn Patienten dies wünschen. Sinnvolle Anwendungsgebiete sehen Ärzte vor allem in der Tagebuchfunktion zum Beispiel bei Allergien, der Aufzeichnung von Vitalparametern und der Ernährungsberatung per App. Die Möglichkeit, Apps auf Rezept zu verschreiben, gab es zum Zeitpunkt der Befragung erst seit wenigen Tagen. Ein Prozent der Befragten hatte dies bereits genutzt.