Was sind intrusive Gedanken – und sind sie gefährlich? |
Was, wenn ich jetzt einfach springen würde? Schockierende Gedanken, die ganz plötzlich auftauchen, aber Gedanken bleiben, nennt man intrusiv – und sind in einem gewissen Rahmen völlig normal. / Foto: Getty Images/Jorge Aguado Martin
Am Postkarten-Spruch «Glaub nicht alles, was du denkst» ist etwas dran – intrusive Gedanken sind dafür das beste Beispiel. So heißen in der Psychologie aufdringliche, lästige Gedanken, die meist um Tabus kreisen.
Ein paar Beispiele: Wir stellen uns vor, wie wir im Büro die Kontrolle verlieren und die Chefin anpöbeln. Plötzlich ploppt der Gedanke auf, dem Kind oder dem Partner Gewalt anzutun. Und auf dem Aussichtsturm überlegen wir, wie es wäre, wenn wir über die Absperrung klettern und springen.
Das sind Momente, in denen es einem kalt den Rücken herunterläuft. Denn es ist das eigene Gehirn, dass so schreckliche und schockierende Szenarien produziert, die wir doch keinesfalls in die Realität umsetzen wollen. Oder etwa doch?
«Es gibt verschiedene Arten intrusiver Gedanken», sagt der Psychologische Psychotherapeut René Noack. Er leitet die Tagesklinik für Angst- und Zwangserkrankungen der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik in Dresden.
So gibt es zum Beispiel besonders heftige Intrusionen, die nach traumatischen Erlebnissen auftauchen und als Flashback bezeichnet werden. Das sind Erinnerungen an Ereignisse, die Betroffene immer wieder mit voller Wucht durchleben. Flashbacks sind ein Symptom einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Sie können, müssen aber nicht, durch bestimme Reize ausgelöst werden.
«Man hat zum Beispiel einen Überfall erlebt und läuft dieselbe Straße wieder entlang. Daraufhin kann ein Gedanke an den Überfall ganz plötzlich auftauchen», sagt Julia Asbrand, Professorin für Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.
Und was ist, wenn uns tabuisierte Verhaltensweisen – etwa im Büro laut zu schreien – in den Kopf schießen? «Solche Gedanken können einfach kommen und sind auch nicht schlimm», sagt Julia Asbrand. «Unser Gehirn produziert sie, sie tauchen auf und verschwinden wieder.»
Dass man sich beispielsweise vorstellt, sein Auto gegen einen Baum zu lenken, ist zwar durch den Baum angestoßen, den man in dem Moment sieht. Es heißt aber nicht, dass man sich wirklich das Leben nehmen möchte. Asbrand stellt klar: «Nur, weil man etwas denken kann, heißt das nicht, das man es auch wirklich tun wird oder tun möchte.»