| Katja Egermeier |
| 08.04.2025 10:00 Uhr |
Der »Kutschersitz« erleichtert das Atmen. Dabei sitzt man idealerweise leicht nach vorn gebeugt, stützt die Ellenbogen auf die Oberschenkel und lässt die Hände locker hängen – so als säße man auf einem Kutschbock und halte die Zügel entspannt in den Händen. / © Getty Images/RicardoImagen
Der Alltag mit Asthma ist oft von Symptomen wie Husten, pfeifender Atmung und Atemnot geprägt. Ständig müssen Betroffene darauf achten, Allergieauslöser zu meiden und sich regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unterziehen. Auch in Schule, Sport und Freizeit sind sie häufig eingeschränkt, sind dauerhaft auf Medikamente angewiesen und müssen stets ein Notfallspray griffbereit haben.
Denn das Gravierendste, was bei Asthma passieren könne, sei ein Asthmaanfall, so Rünger. Dabei verengen sich die Atemwege so stark, dass vor allem das Ausatmen massiv erschwert wird. Im schlimmsten Fall führe dies zu Atemnot und der Angst, zu ersticken – was wiederum Stress auslöse und die Atemnot weiter verstärke. Ein Teufelskreis nehme seinen Lauf.
Hilfe bringen in solchen Momenten sicherlich die entsprechenden Medikamente. Der Asthma- und Neurodermitis-Trainerin Rünger geht es jedoch um die Mittel, die den Betroffenen außerhalb der Medizin zur Verfügung stehen. Eine wichtige Rolle spiele dabei das Stressmanagement, denn für Asthmasymptome seien gleich drei Stressoren von Bedeutung: die biologischen, psychologischen und sozialen Stressoren.
| biologische Stressoren | psychologische Stressoren | soziale Stressoren |
|---|---|---|
|
• Trigger wie Allergene, Anstrengung, Erkältung • Husten, Räuspern, pfeifende Atmung • Atemnot • weniger Ausdauer • gestörter Schlaf |
• Erstickungs- und Todesangst • Zukunftssorgen • eingeschränkte Lebensqualität • schwieriges Therapiemanagement (Arztbesuche, Medikamenteneinnahme) • mangelnde Ressourcen • negatives Coping |
• fehlende soziale Unterstützung • belastende Familiendynamik • Fehlzeiten in Schule/Beruf • Peergroup (hänseln) • Einschränkungen beim Sport • Einschränkungen in der Schule (Fehlzeiten) • Berufswahl (Eignung) |
Den Teufelskreis aus Stress und Asthmasymptomen gelte es zu durchbrechen, betont Rünger. »Wo wir hin möchten, ist, dass es zu einer gewissen Akzeptanz des Asthmas kommt.« Das bedeute nicht, die Diagnose überschwänglich zu feiern, sondern die Erkrankung anzunehmen und entsprechend zu handeln.
Im besten Fall verwandele sich der Teufelskreis in einen »Engelskreis«, wie Rünger die positive Aufwärtsspirale bezeichnet. Konkret bedeutet das: Durch die Akzeptanz des Asthmas entwickelt der Patient eine gute Wahrnehmung für seinen Zustand, denkt zuverlässig an die Einnahme der Medikamente, kann sich selbst besser einschätzen und übernimmt aktiv Verantwortung für das Management der Erkrankung. Diese erworbene soziale Kompetenz reduziert Ängste und Stress – und damit letztlich auch die Asthmasymptome.
Um das zu erreichen, empfiehlt die Asthmatrainerin gezielte Patientenschulungen. Diese verbesserten die Selbstwirksamkeit und das Selbstmanagement und vermittelten wichtige Techniken wie die Lippenbremse, atemerleichternde Stellungen und Entspannungsmethoden. In schwerwiegenden Fällen könne auch zu einer Psychotherapie geraten werden.
Vor allem auf die Selbstwirksamkeit kommt es Rünger an. Selbstwirksamkeit ist laut Definition die Überzeugung, dass schwierige Situationen aus eigener Kraft gemeistert werden können. Und diese lasse sich beispielsweise durch folgende Maßnahmen steigern:
Auch das Selbstmanagement sei bei der Bewältigung chronischer Erkrankungen von großer Bedeutung, so Rünger weiter. Das beinhalte nicht nur die Fähigkeit, mit den Symptomen und der Behandlung umgehen zu können, sondern auch mit den körperlichen und psychosozialen Folgen und den Auswirkungen auf die Lebensführung.
Bei gutem Selbstmanagement übernimmt der Patient Verantwortung für die eigene Gesundheit, optimiert und erhält diese, reduziert Symptome und funktionelle Beeinträchtigungen, identifiziert und äußert seine Bedürfnisse, steckt sich persönliche Ziele, findet auch in Zusammenarbeit mit dem Arzt Strategien, um diese zu erreichen und arbeitet besser an der Therapie mit. Rünger: »Durch diese ganzen Maßnahmen steigert sich die Lebensqualität. Das ist das, was wir möchten: eine gute Lebensqualität mit wenigen Einschränkungen im Alltag.«
Die Lippenbremse zu beherrschen ist für Asthmatiker essenziell. Sie gilt als Grundlage aller Atemübungen. Dabei wird durch die Nase eingeatmet und durch den gespitzten, nur leicht geöffneten Mund mit Ssss- oder Pfff-Lauten wieder ausgeatmet. Dadurch bleiben die Atemwege weit, die Lunge wird entleert und kann mit neuer Luft versorgt werden.
Eingesetzt werde die Lippenbremse im Idealfall in einer atemerleichternden Stellung, wie zum Beispiel dem »Torwart«, dem »Hängebauchschwein« oder dem »Kutschersitz«. Für den »Kutschersitz« beispielsweise setzt man sich aufrecht auf die vordere Kante eines Stuhls und lässt sich zusammensacken. Die Unterarme ruhen auf den Oberschenkeln, die Hände hängen herunter. Der Rücken ist gerundet, aber nicht verkrampft. So kann sich der Brustkorb weiten und eine freiere Atmung ermöglicht werden. Ebenso bei der Torwartstellung, bei der die Hände im Stehen auf die Oberschenkel abgestützt werden, wodurch der Brustkorb entlastet wird.
Auch Entspannungsübungen können langfristig eine Erleichterung für Asthmatiker bedeuten. Wer sich entspannt, verringert Muskeltonus und Atemfrequenz. Dadurch sinkt der Sauerstoffverbrauch, während die Gelassenheit steigt. Mit der Zeit und genug Übung entsteht ein Lerneffekt, wodurch die Entspannung in stressigen Situationen besser abgerufen werden und dazu führen kann, weniger Dauermedikamente zu benötigen.