Wenn das Reden ruckelt |
Katja Egermeier |
22.10.2020 13:15 Uhr |
Statistiken zufolge stottern etwa 5 Prozent aller Kinder, aber nur 1 Prozent tuen das noch im Erwachsenenalter. Diese Zahl könnte weiter reduziert werden, wenn Eltern rascher reagieren würden, betont der Göttinger Neurologe Professor Martin Sommer, Vorsitzender der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe. »Spätestens sechs bis zwölf Monate nach Auftreten der Redeflussstörung sollte eine Behandlung erfolgen.«
Auch Spontanheilungen seien möglich. Wie diese genau vor sich gingen und warum sie bei Mädchen häufiger vorkommen als bei Jungen, sei jedoch noch ein Rätsel, so Sommer. Ebenso, warum mehr Jungen und Männer als Mädchen und Frauen stottern: Im Kindesalter kommen auf ein stotterndes Mädchen zwei stotternde Jungs; nach der Pubertät beträgt das Verhältnis sogar vier zu eins.
»Das ist unsere Gretchenfrage«, sagt Sommer. Stottern ist im Erwachsenenalter nicht mehr heilbar. Aber es gibt zwei Therapien, um es einzudämmen. Eine zielt auf einen anderen Sprechmodus (Fluency Shaping) ab, bei dem die Anfangssilben bewusst langsam und sanft gesprochen werden. Die neue Sprechweise wird im Alltag trainiert und wird bis zu einem Jahr danach überprüft. Die andere Therapie betrifft nicht den Redefluss selbst, sondern setzt in dem Augenblick an, in dem der Stotternde hängen bleibt. Dabei werden Praktiken gelehrt, wie man aus der Blockade rasch wieder herauskommt, etwa durch das Wiederholen des Wortes.
Für den Umgang mit Stotterern hat Sebastian Koch, Stotterer und Kulturredakteur beim »Mannheimer Morgen«, diesen wichtigen Rat: »Bitte nicht Sätze weiterführen, Stotternde ausreden lassen – und sich einfach Zeit für sie nehmen.«