Wenn Einsamkeit krank macht |
Das KNE will das bestehende Wissen über Einsamkeit bündeln und neues Wissen generieren. Unter anderem erarbeiten die Wissenschaftler laut Weber ein Einsamkeitsbarometer, um Daten über das Phänomen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu gewinnen, die sich auch über den Zeitverlauf vergleichen lassen.
Klar sei: »Einsamen Menschen fehlen soziale Beziehungen und Kontakte, insbesondere qualitativ hochwertige Kontakte, enge intime Beziehungen zu anderen Menschen wie Partnern oder Freunden, aber auch sonstige Kontakte zu anderen Menschen im Alltag«, so Luhmann. Dies betreffe auch jüngere Menschen und solche im mittleren Erwachsenenalter. »Auch Familiengründung und das Leben mit kleinen Kindern kann einsam machen. Viele müssen sich in dieser Phase auch beruflich etablieren und haben noch weniger Zeit für Freunde«, so die Wissenschaftlerin.
»Einsamkeit tut weh. Bei chronischer Einsamkeit werden im Gehirn dieselben Areale aktiviert wie bei Schmerz«, so die Psychologin. Es gebe zwar keine klinische Diagnose im klassischen Sinne für das Gefühl und auch keine Therapien oder Medikamente. Man wisse aber, dass Einsamkeit mit großen Risiken einhergehe. So könne chronische Einsamkeit sowohl psychische als auch physische Erkrankungen wie Depressionen, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle oder Herzinfarkte begünstigen.
»Wir sind soziale Tiere und dafür gemacht, in Gruppen mit anderen zu leben und dort besonders gut zu funktionieren. Einsamkeit ist gar nicht programmiert in unseren Körpern und unseren Seelen«, ergänzt Eva Peters, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Universität Gießen. Das Gefühl der Einsamkeit bedeute Dauerstress für den Körper, da er sich in ständiger Alarmbereitschaft befinde. Es fehle das soziale Umfeld als Puffer für mögliche Gefahrensituationen. »Das sorgt dafür, dass wir ständig etwas zu viele Stresshormone ausschütten«, erklärt Peters. Das könne wiederum zu Bluthochdruck und weiteren Erkrankungen führen.
»Einsame Menschen sind auch etwas gefährdeter, Krebs zu entwickeln«, so die Medizinerin. Denn bei ihnen könne die Überwachungsfunktion des Immunsystems durch chronischen Stress gestört sein, so dass neu entstehende Krebszellen nur noch in geringerem Maße erkannt und abgetötet werden.
Eine weitere Gefahr bestehe in der fehlenden intellektuellen Herausforderung. »Wenn keine Interaktion und Reize kommen, verkümmert das Gehirn wie ein unbenutzter Muskel. Das kann der Beginn von Alzheimer und Demenz sein«, so Peters.
«Jede Art von sozialer Beziehung ist erstmal gut. Ich bin aber immer etwas skeptisch bei Ansätzen, die verschiedene Generationen einschließen», sagt Maike Luhmann. Solche Patenschaften könnten eine Chance sein, Verständnis untereinander zu entwickeln. «Unterschiedlich alte Menschen haben aber verschiedene soziale Bedürfnisse, die glaube ich, eher von Menschen erfüllt werden, die vom Alter her ähnlich sind».