Wenn es nach hinten losgeht |
Häufige Toilettenbesuche bei Durchfall sind lästig. Für die Selbstmedikation stehen wirksame Abhilfen zur Verfügung. / Foto: Adobe Stock/andriano_cz
Durchfall ist ein Symptom und keine Erkrankung. Häufig sind mehrere pathogenetische Mechanismen an der Entstehung beteiligt. Die Palette reicht von einer unzureichenden Resorption osmotisch wirksamer Stoffe aus dem Darmlumen, einer verstärkten Sekretion von Elektrolyten und Wasser bis hin zu einer gestörten Darmmotilität. Als Auslöser dieser Mechanismen kommen zum Beispiel Infektionen mit Noro- oder Rotaviren, Vergiftungen durch bakteriell belastete Lebensmittel, Lebensmittel-Unverträglichkeiten, Arzneimittelnebenwirkungen oder auch Stress infrage.
Unabhängig von der Ursache entzieht Durchfall dem Körper wichtige Mineralstoffe und täglich mehrere Liter Flüssigkeit. Zum Vergleich: Normalerweise scheiden Gesunde mit dem Stuhl lediglich 100 ml Flüssigkeit aus. Die Zufuhr von Flüssigkeit und Elektrolyten ist deshalb die wichtigste Maßnahme, besonders für Kinder und Senioren. Bei diesem Personenkreis besteht die akute Gefahr einer Dehydrierung. Für die Flüssigkeitszufuhr stehen standardisierte orale Rehydratationslösungen (wie Oralpädon®, Elotrans® oder Saltadol®) zur Verfügung. Sie enthalten Natrium, Kalium sowie Glucose. Der erwachsene Patient löst nach jedem ungeformten Stuhl ein bis zwei Beutel des portionierten Pulvers in einer definierten Menge Trinkwasser auf. Die Dosierungsempfehlung bei Kleinkindern basiert auf der Flüssigkeitszufuhr von 150 ml pro Kilogramm Körpergewicht. Für ältere Kinder und Erwachsene gelten Richtwerte von 20 bis 40 ml pro Kilogramm.
Im Patientengespräch sollten PTA und Apotheker zunächst klären, ob ein Fall für die Selbstmedikation vorliegt. Säuglinge sollten zum Beispiel nicht in Eigenregie behandelt werden. Auch bei Kindern unter zwei Jahren ist es sinnvoll, auf den Arzt zu verweisen. Das gilt auch für Patienten, die einem schlechten körperliche Gesamteindruck machen oder lethargisch wirken. Der Arzt ist auch die richtige Anlaufstelle für Schwangere, Stillende, betagte Senioren und chronisch Kranke, zum Beispiel mit Diabetes, Schilddrüsenunterfunktion oder Immunschwäche.
Hat der Patient eine Kundenkarte, ist ein Blick auf die aktuelle Medikation sinnvoll. Sie liefert Hinweise, ob eventuell eine therapiebedingte Diarrhö vorliegt. Die Liste mit Arzneimitteln, die Durchfälle auslösen, ist lang: angeführt von Antibiotika über nicht bestimmungsgemäß angewandte Laxanzien, über Mineralstoffe wie Magnesium bis hin zu Zytostatika. Handelt es sich um verordnete Arzneimittel, ist eine Rücksprache mit dem Arzt notwendig.
Auch die Dauer und die Beschaffenheit des Durchfalls können Ausschlusskriterien sein. Hält die Diarrhö bei Erwachsenen unverändert stark für länger als zwei bis drei Tage an oder ist der Stuhl schleimig-blutig oder teerig schwarz, ist ein Arztbesuch erforderlich. K.-o.-Kriterien für die Selbstmedikation sind auch starke Bauchschmerzen und -krämpfe, Fieber über 39°C sowie starkes und wiederholtes Erbrechen. Wird ein Zusammenhang zwischen einer Auslandsreise in tropische oder subtropische Gebiete und der Diarrhö vermutet, sollte ebenfalls nicht im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden. Die Inkubationszeiten von Erregern aus tropischen und subtropischen Gebieten sind sehr unterschiedlich, weshalb die Diarrhö auch verzögert einsetzen kann.
Ergibt das Patientengespräch, dass lediglich eine akute nicht spezifische Diarrhö vorliegt, ist der Motilitätshemmer Loperamid Mittel der Wahl. Als Opioid-Derivat vermindert es die Darmperistaltik und hemmt die Flüssigkeitssekretion. Die Anwendung von Loperamid in der Selbstmedikation ist auf zwei Tage begrenzt. Die Anfangsdosis für Erwachsene beträgt 4 mg Loperamid, das entspricht zwei Kapseln, und nach jeder weiteren Stuhlentleerung eine Kapsel, jedoch nicht mehr als 6 Kapseln pro Tag. Der Wirkstoff darf nicht zusammen mit Quellmitteln angewendet werden.
Eine Alternative zu Loperamid ist gemäß Leitlinie der Sekretionshemmer Racecadotril. In Vergleichsstudien besserte der Wirkstoff die Beschwerden ebenso wirksam wie Loperamid. Racecadotril wird als Prodrug über den Darm aufgenommen und im Blut zum aktiven Metaboliten Thiorphan hydrolysiert. Thiorphan hemmt das Enzym Enkephalinase im Dünndarmepithel und verhindert, dass die Darmwand zu viel Flüssigkeit und Elektrolyte in das Darminnere abgibt. Die Darmbewegungen werden dabei jedoch nicht beeinflusst, was häufig als Vorteil von Racecadotril vorgebracht wird. Ebenso wie Loperamid ist es in der Selbstmedikation nicht für Kinder unter 12 Jahren geeignet.
Wichtig: Sind Rota- oder Noroviren als Auslöser im Verdacht, müssen im Haushalt strikte Hygienemaßnahmen gelten. Bereits minimale Erregerzahlen reichen aus, um sich anzustecken. Selbst wenn die Diarrhö nicht mehr akut ist, werden die Viren noch über mehrere Tage mit dem Stuhl ausgeschieden. Der Patient ist deshalb mit einer Empfehlung für ein viruzides Hand- und Flächendesinfektionsmittel zur Reinigung von Türklinken, Toilettensitz oder Handläufen gut beraten.
Patienten mit Durchfall sind häufig verunsichert, ob sie essen dürfen und wenn ja, welche Lebensmittel. Generell gilt, sich nach dem Appetit zu richten. Eine strikte Nahrungskarenz ist nicht notwendig. Von fettreichen und schwer verdaulichen Lebensmitteln, Kaffee, Milch und kohlensäurehaltigen Softdrinks ist allerdings abzuraten. Bananen, Reis, Apfelmus, Haferflocken, Zwieback, Toast oder Gemüsebrühe können sich sogar positiv auswirken.
Neben den chemisch-synthetischen Wirkstoffen stehen in der Apotheke noch eine Reihe weiterer Optionen wie pflanzliche Antidiarrhoika zum Beispiel mit den Wirkstoffen aus der Uzara-Wurzel, Gerbstoff- und pektinhaltige Präparate, Adsorbentien wie Heilerde, Siliciumdioxid oder auch medizinische Kohle (siehe Kasten) zur Verfügung. Jedoch ist bei diesen Optionen der Nutzen nicht eindeutig belegt. Wünscht ein Kunde ein solches Präparat, sollte das pharmazeutische Personal deshalb auf die fehlende Evidenz hinweisen und nach Möglichkeit ein besser untersuchtes Präparat empfehlen.
Ebenfalls durchwachsen ist die Datenlagen zum Nutzen von Probiotika bei Durchfallbeschwerden. Probiotika sind Zubereitungen mit vermehrungsfähigen apathogenen Mikroorganismen, die die Darmflora besiedeln. Dadurch sollen sie die Barriere-, Immun- und Stoffwechselfunktion des Darms regenerieren. Jedoch sind viele probiotische Präparat auf dem Markt, deren Zusammensetzung teilweise stark variiert, sodass die passende Auswahl oft schwerfällt. Vor allem zur Wirksamkeit der Probiotika bei Erwachsenen sind die Daten sehr heterogen. Bei Kindern hingegen gelten Probiotika als gute Option beispielsweise Präparate mit dem Hefepilz Saccharomyces boulardii (wie in Perenterol®) oder der Bakterienkultur Escherichia coli Stamm Nissle.
Als Mittel der Wahl gelten Probiotika in der Prophylaxe von Durchfällen im Rahmen einer Antibiotikatherapie. Aufgrund ihrer bakteriostatischen beziehungsweise bakteriziden Wirkung können Antibiotika die physiologische Darmflora verändern und Durchfälle auslösen, die in der Regel mild verlaufen. Schwächer fällt die Nebenwirkung im Übrigen aus, wenn das Antibiotikum nüchtern eingenommen werden kann. Es wird dann schneller absorbiert, was einen schnelleren Wirkungseintritt und kürzere Kontaktzeiten mit der Darmflora zur Folge hat. Umgekehrt erhöht eine gleichzeitige Einnahme von Loperamid oder Racecadotril die Kontaktdauer, weshalb sie begleitend zu einer Antibiotikatherapie kontraindiziert sind.
Bei Antibiotika-assoziierten Durchfällen (AAD) sollten PTA und Apotheker unbedingt eine Infektion mit Clostridioides difficile im Hinterkopf haben. Sie machen etwa ein Fünftel der AAD aus. Sie können auch erst einige Wochen nach der antibiotischen Therapie als wässrige Durchfälle auftreten, die jedoch unangenehm faulig riechen. Betroffene sollten unbedingt an einen Arzt verwiesen werden.
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Manche Patienten fragen gezielt nach Kohletabletten, um ihre Durchfallbeschwerden zu behandeln. Denn bei vielen hat sich das Wissen verankert: medizinische Kohle hilft gegen Diarrhö und kann Gifte binden.
Tatsächlich ist die adsorbierende Eigenschaft der medizinischen Kohle schon seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Das Pulver, das aus pflanzlichen Materialien wie Kokosnussschalen oder diversen Hölzern durch Verkohlungs- und Aktivierungsverfahren gewonnen wird, ist tiefschwarz, sehr leicht und nahezu unlöslich. Wie ein Schwamm besitzt es unzählige Poren, die nur wenige Nanometer groß sind. Das schafft eine riesige innere Oberfläche. Könnte man ein Gramm Kohle wie einen Teig komplett ausrollen, würde das die Fläche eines Fußballfeldes ergeben. Diese Eigenschaft verleiht der medizinischen Kohle ein hohes Adsorptionsvermögen. Sie bindet neben Wasser verschiedenste organische und anorganische Stoffe wie Bakterien, Bakterientoxine oder Giftstoffe. Sie werden mit der Kohle über den Stuhl ausgeschieden und gelangen nicht in den Blutkreislauf.
Doch Vorsicht: Die Aktivkohle unterscheidet nicht zwischen einem wichtigen Nährstoff, einem Arzneistoff oder einem potenziellen Schadstoff. Gebunden wird alles. Schon einmalige Dosen können so die Wirksamkeit von Arzneimitteln beeinträchtigen. Sie sollten deshalb in einem Abstand von mindestens zwei Stunden eingenommen werden. Harmlos, aber erwähnenswert bei der Abgabe an den Patienten, ist die Schwarzfärbung des Stuhls.
Klinisch gut belegt ist der Einsatz als adsorbierendes Mittel bei akuten orale Vergiftungen. Jedoch sind hier hohe Mengen von bis zu über 50 Gramm notwendig. Widersprüchlicher ist hingegen die Studienlage als Mittel zur Behandlung einer akuten Diarrhö. Gängige Kohlepräparate enthalten 20 bis 30 Tabletten pro Packung, eine Tablette enthält etwa 250 mg Wirkstoff. Im Hinblick auf die Dosierung und dem zugrundeliegenden Wirkprinzip der Entgiftung zweifeln viele Schulmediziner, ob mit dieser Menge Wirkstoff ein ausreichender Therapie-Erfolg erzielt werden kann.