Wenn Essen kein Genuss, sondern Belastung ist |
Die Psychologinnen Hartmann Firnkorn und Julia Engelkamp haben an der Universität Konstanz eine Online-Therapie mit Videotherapiesitzungen und Selbstlernmodulen gestartet, bei der Familien individuell betreut werden. »Es ist wichtig, dass jemand Neutrales reinkommt, weil das Thema Essen häufig zum Kriegsschauplatz geworden ist«, sagt Hartmann Firnkorn.
»Wir werden Arfid nicht in zwölf Wochen zum Verschwinden bringen, für andere Essstörungen wie die Magersucht oder Bulimie ist auch häufig eine Langzeittherapie um die 60 Sitzungen notwendig«, meint die Forscherin. »Wir wollen aber Werkzeuge in die Hand geben, mit denen die Familie weiterarbeiten kann. Wenn Kinder aktuell nur drei bis vier Nahrungsmittel essen, dann dauert es auch über die Therapie hinaus an, zu einem ausgewogenen Ernährungsverhalten mit genügend verschiedenen Nahrungsmitteln zu gelangen.«
Wichtig sei, in kleinen Schritten vorzugehen: »Von Spaghetti vielleicht erstmal zu einer andern Nudelform oder Marke gehen und nicht gleich Tomatensoße hinzuzufügen«, meint Hartmann Firnkorn. Bedeutend seien Erfolgserlebnisse. »Das Kind soll merken, ich kann etwas anderes essen.«
Auch Maras Speiseplan ist mit der Zeit größer geworden. »Seit fünf Jahren kann ich getrocknete Tomaten und Oliven essen.« Kürbis- und Tomatensuppe esse sie schon lange, wenn alles ganz fein püriert sei – und sie trinke auch Orangensaft ohne Fruchtfleisch. Beim Weihnachtsessen mit der Firma habe sie schließlich auch noch etwas gefunden: Humus mit pürierter Roter Beete.
Sie achte darauf, Arfid nicht auf ihr eigenes Kind zu übertragen. Es bekomme keinen Brei, sondern weiche Stücke Nahrung, die es selbst greifen und essen könne. Bei der inzwischen verbreiteten Methode namens Baby led weaning (vom Baby bestimmte Entwöhnung von der Muttermilch) sucht sich der Sprössling etwas aus dem Angebot aus. Mara: »Man bietet etwas an, und das Kind entscheidet selbst darüber, was es isst. Meine Tochter isst bisher alles mit großem Appetit. Ich hoffe, das bleibt so!«