Wenn Medikamente die Nerven angreifen |
Isabel Weinert |
05.06.2024 08:30 Uhr |
Nervenschäden durch zu wenig Vitamin B12 können sich in einem Kribbeln in den Extremitäten äußern, in Muskelschwäche, Müdigkeit, einem verringerten Konzentrationsvermögen, einer brennenden Zunge. Menschen mit Neuropathie haben aber auch ein erhöhtes Risiko zu stürzen, ihr Gang wird unsicherer. Mit der richtigen Ernährung lässt sich eine gute Versorgung mit Vitamin B12 eigentlich gewährleisten.
Das gilt jedoch nicht für Menschen mit einem Mangel an Intrinsic Factor – hier muss das Vitamin injiziert werden, und nicht für Menschen mit veganer Ernährung. Sie und auch Vegetarier sollten sich Vitamin B12 zuführen. Die Diagnose für einen Mangel stellt der Arzt. Bei der Wahl eines geeigneten Vitaminpräparats ist darauf zu achten, dass die Vitamindosis die Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikoberwertung (BfR) nicht weit übersteigt. Das BfR nennt einen Tagesbedarf von 25 Mikrogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung nennt vier Mikrogramm als tägliche Gesamtmenge aus Nahrung und Nahrungsergänzung. Wer dauerhaft die angegebenen Mengen deutlich überschreitet, riskiert mögliche Nebenwirkungen des Vitamins.
Eine Polyneuropathie kann Hunderte verschiedener Ursachen haben. Für PTA ist es wichtig, auch an die rareren Gründe zu denken, wie Medikamente oder fehlendes Vitamin B12. Gerade bei Menschen mit einer Erkrankung, die häufig eine PNP verursacht, wie Diabetes, sollten PTA hellhörig werden, wenn der Arzt ein Medikament verordnet, dass das Risiko einer PNP als Nebenwirkung birgt. Dann kann sich die Nachfrage beim Arzt lohnen, ob ein Austausch gewünscht ist. Umgekehrt: Schildern Patienten Symptome, die auf eine PNP hindeuten, dann sind wahrscheinliche Ursachen ein lange Zeit nicht erkannter Prädiabetes, eine manifeste Diabeteserkrankung, aber mitunter eben auch Medikamente.
Bei Diabetikern mit hohen Blutzuckerwerten kann bei einer raschen Senkung hin zu normalen Werten eine sogenannte »treatment-induced neuropathy of diabetes« (TNP) eintreten. Bei dieser durch die Therapie ausgelöste oder deutlich verschlimmerten bereits vorhandenen Neuropathie entwickeln sich die Symptome subakut und zeigen sich in brennenden und einschießenden Schmerzen, das Temperaturempfinden kann sich verändern. Das Syndrom geht manchmal mit einer ausgeprägten orthostatischen Hypotonie einher. Gerade bei einer beginnenden Insulinbehandlung müssen Ärzte und Patienten deshalb darauf achten, den Blutzucker-Langzeitwert HbA1c gemächlich über einen längeren Zeitraum in den Normalbereich zu senken.