Wie viel Gefühl bleibt beim Küssen? |
»Die überwiegende Zahl sind junge Frauen, die einem bestimmten Schönheitsideal nacheifern wollen«, sagt Jens. Inspirationsquelle seien oft Beispiele aus den sozialen Medien. »Die Patientinnen kommen tatsächlich mit ausgedruckten Bildern oder mit Handy-Fotos in die Praxis und sagen, dass sie es gerne genauso hätten.« Ein Trend, den er problematisch findet, da die Lippen auch zum Gesicht passen müssten.
Zu Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden, kommen wiederum hauptsächlich Frauen ab den Wechseljahren. »Die Lippen werden schmaler mit dem Alter.« Schmale Lippen könnten als verkniffen empfunden werden.
Weniger als einen Milliliter Hyaluronsäure verwenden Jens und Bayerl eigenen Angaben zufolge für eine Lippenkorrektur. Bayerl sagt, sie schicke Frauen auch mal wieder nach Hause, die bereits Schlauchboot-Lippen hätten und trotzdem noch mehr wollten. Es bestehe dann die Gefahr, dass Blutgefäße verschlossen werden, sagt die Expertin der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft.
Ja, und das nicht nur bei stark aufgespritzten Lippen. »Bloß weil ein Großteil der Behandlungen gut geht, ist es nicht harmlos«, sagt Jens. »Man muss schon über genaue Anatomiekenntnisse verfügen, um zu wissen, wo man Hyaluronsäure spritzen kann, so dass es den gewünschten Effekt hat.«
Häufige Nebenwirkungen sind nach Angaben von Bayerl blaue Flecken, wenn die Spritze ein kleines Blutgefäß erwischt. »Es kann auch passieren, dass es unsymmetrisch wird und bei einer erneuten Behandlung korrigiert werden muss.« Hinzu komme die Gefahr von Infektionen und – in sehr seltenen Fällen – von Gefäßverschlüssen, die unbedingt behandelt werden müssten, damit sie keine schweren Folgen haben.
Das kommt darauf an, wie stark die Lippen aufgespritzt sind. Hält es sich in Grenzen, merke man wahrscheinlich keinen Unterschied, meint Bayerl. »Wenn das sehr ausgeprägt ist, hat das Folgen für die Sensibilität.« Der Grund: Lippen enthalten Nervenenden, die sie empfindlich für Wärme, Kälte und Berührungen machen. »Diese werden durch das Aufspritzen ja nicht mehr, sondern müssen sich über eine größere Oberfläche verteilen«, erläutert Jens.