Zielgerichtet gegen Tumorzellen |
Verena Schmidt |
22.10.2024 10:00 Uhr |
CAR-T-Zellen gelangen gut zu Tumorzellen im Blut, Knochenmark und in Lymphknoten. In der Europäischen Union sind aktuell sechs CAR-T-Zelltherapien zugelassen. Vier davon – Tisagenlecleucel, Axicabtagen-Ciloleucel, Brexucabtagen-Autoleucel und Lisocabtagen maraleucel – richten sich gegen das Oberflächenantigen CD19 auf B-Lymphozyten, die ebenfalls zu den weißen Blutkörperchen gehören und Bestandteil des Immunsystems sind. Die CAR-T-Zellen kommen daher bei verschiedenen B-Zell-Erkrankungen wie bestimmten Leukämien und Lymphomen zum Einsatz. Idecabtagen vicleucel und Ciltacabtagen autoleucel richten sich gegen das B-Zell-Reifungsantigen (BCMA) auf Plasmazellen des Multiplen Myeloms. In klinischen Studien wird auch der Einsatz der CAR-T-Zellen gegen solide Tumoren sowie bei HIV-Infektionen und Autoimmunerkrankungen geprüft.
Aufgrund der teils schwerwiegenden Nebenwirkungen und Toxizitäten sollen CAR-T-Zelltherapien laut Zulassung nur angewendet werden, wenn zuvor mindestens zwei andere Krebstherapien nicht angeschlagen haben. Patienten, die eine CAR-T-Zelltherapie bekommen, sind also immer schon stark vorbehandelt.
Da die CAR-T-Zellen für jeden Patienten individuell hergestellt werden, sind die Kosten hoch, sie liegen etwa zwischen 250.000 und 300.000 Euro pro Infusion. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten. Teils werden auch Absprachen zwischen Hersteller und Kasse getroffen; bei Therapieversagen müssen die Kassen dann nur einen Teil der hohen Behandlungskosten übernehmen.
Das Spektrum an Nebenwirkungen bei der CAR-T-Zelltherapie ist groß: Möglich sind leichtes Unwohlsein bis hin zu schweren hämatologischen und immunologischen Reaktionen mit Organversagen bis hin zum Tod.
Eine der wichtigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen ist das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS), das durch eine überschießende Aktivierung der CAR-T-Zellen entsteht. Dabei werden extrem viele Zytokine gebildet und freigesetzt, etwa IFN-γ, Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und Interleukin-2 (IL-2), diese aktivieren wiederum weitere Immunzellen. Die Makrophagen produzieren außerdem Interleukin-6, das in fast jeder Körperzelle entzündliche Reaktionen hervorrufen kann.
Das CRS kann unterschiedlich stark auftreten (Grad 1 bis 4). Innerhalb weniger Stunden oder Tage treten etwa hohes Fieber, Müdigkeit, Übelkeit, Durchfall und Herz-Kreislauf-Störungen auf. Werden die Patienten nicht rechtzeitig behandelt, kann es zu Multiorganversagen bis hin zum Tod kommen. Die Betroffenen erhalten als antipyretische Therapie meist intravenös Paracetamol oder Metamizol, bei schweren Formen wird der IL-6-Rezeptorblocker Tocilizumab, gegebenenfalls in Kombination mit Corticosteroiden, gegeben.
Weitere typische Nebenwirkungen sind unter anderem Infusionsreaktionen, Neurotoxizität (immune effector cell associated neurotoxicity syndrome, ICANS), die sich unter anderem durch Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Bewusstseinsstörungen und Krampfanfälle äußern kann, CRS-abhängige Gerinnungsstörungen sowie Zytopenien (verminderte Anzahl bestimmter Zellen im Blut).