Augen im Stress |
Verena Schmidt |
17.03.2023 15:00 Uhr |
Am häufigsten liege dem Sicca-Syndrom eine nicht entzündliche Meibom-Drüsen-Dysfunktion (MDD) zugrunde, schreiben die Leitlinienautoren. Sie gehen anhand asiatischer Studien davon aus, dass auch in Europa bis zu 70 Prozent der Über-40-Jährigen eine solche haben könnten. Bei den Meibom-Drüsen handelt es sich um Talgdrüsen am inneren Rand des Augenlids, die die äußere lipidhaltige Schicht des Tränenfilms produzieren. Ist ihre Funktion gestört, verdunstet die Tränenflüssigkeit zu schnell.
Neben der MDD gibt es weitere Risikofaktoren, die die Entstehung eines trockenen Auges begünstigen. Die Leitlinie nennt hier die Erkrankungen Rosazea und atopische Dermatitis sowie Diabetes mellitus, einen Androgen- oder Vitamin-A-Mangel, eine medikamentöse Augentropfentherapie, Stammzelltransplantationen und Bestrahlungen des Kopfes. Das trockene Auge ist auch eine häufige Folge einer Augenlaserbehandlung zur Korrektur von Fehlsichtigkeit (LASIK). Durch die Operation werde eine sogenannte neurotrophe Epitheliopathie ausgelöst, heißt es in der Leitlinie. Aufgrund OP-bedingter Nervenschädigungen ist die Lidschlagfrequenz erniedrigt und der Tränenfilm gestört, wodurch das Epithel geschädigt wird. Dies führe oftmals zu erheblichen Visusschwankungen und Missempfindungen bei bis zu 55 Prozent der Patienten mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten nach der Operation, schreiben die Autoren.
Auch Umweltfaktoren wie Zigarettenrauch, Ozon, trockene Luft, Klimaanlagen und wie oben erwähnt langes Arbeiten am PC spielen eine Rolle. Allergien, rheumatische (zum Beispiel das Sjögren-Syndrom, siehe Kasten) und vernarbende Erkrankungen treten gemeinsam mit trockenen Augen auf oder können deren Ursache sein. Auch Medikamente, beispielsweise eine postmenopausale Estrogentherapie, Antihistaminika, Psychopharmaka und Betablocker können ein trockenes Auge verstärken. Da die Drüsen mit zunehmendem Alter weniger Mucin produzieren, sind ältere Menschen prinzipiell häufiger betroffen, ebenso Frauen durch hormonelle Veränderungen in Schwangerschaft oder Wechseljahren.
Das Sjögren-Syndrom ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem fälschlicherweise vor allem Tränen- und Speicheldrüsen angreift. Diese produzieren dann zu wenig Flüssigkeit. Typische Symptome sind daher trockene, gereizte Augen, ein trockener Mund und Gelenkbeschwerden. Schätzungen zufolge sind vier von 1000 Menschen von einem Sjögren-Syndrom betroffen, in der Regel sind es Frauen.
Tränenersatzmittel lindern die Beschwerden bei trockenen Augen, zur Anregung des Speichelflusses können die Betroffenen Bonbons lutschen und Kaugummi kauen. In schwereren Fällen kann wie auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen eine immunsuppressive Therapie mit Glucocorticoiden oder Biologicals zum Einsatz kommen.
Berichten Patienten in der Apotheke über Beschwerden, die auf ein Sicca-Syndrom hindeuten, müssen PTA abschätzen, ob eine Selbstmedikation möglich ist oder ob der Patient in die Hände eines Augenarztes gehört. Besteht der Verdacht auf eine bakterielle oder virale Infektion, eine zugrundeliegende Erkrankung oder einen in das Auge eingedrungenen Fremdkörper, ist an den Augenarzt zu verweisen.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung
Tränenersatzstoffe sind laut Leitlinie die Mittel der ersten Wahl zur Behandlung eines trockenen Auges. In der Apotheke haben Patienten und PTA die Qual der Wahl – es steht eine riesige Auswahl unterschiedlicher Präparate zur Verfügung. Das richtige Produkt auszuwählen, ist nicht einfach: Nicht jedes Präparat wird von jedem Patienten vertragen, auch die Wirkung variiert von Patient zu Patient. Viele werden verschiedene Tränenersatzmittel ausprobieren müssen, um das individuell am besten passende zu finden. Auch Kombinationen verschiedener Präparate können sinnvoll sein.
Die künstlichen Tränen sollten vor allem bei milden Formen des trockenen Auges zum Einsatz kommen und die Anwendung sollte befristet sein. Dauerhaftes Tropfen soll nur auf den Rat eines Augenarztes hin erfolgen. Welches Präparat PTA empfehlen können, ist zunächst abhängig von Art und Schwere der Beschwerden. Da bei vielen Patienten sowohl die Lipid- als auch die wässrige Schicht des Tränenfilms gestört ist, enthalten viele Präparate nicht nur einen Wirkstoff, sondern kombinieren mehrere Wirkprinzipien.