Bakterio- und Virophagen |
Bereits einer der Entdecker der Bakteriophagen, der französische Mikrobiologe Félix Hubert d’Hérelle (1873-1949), hatte die Idee, Phagen in der Therapie bakterieller Infektionen einzusetzen. Er heilte im Ersten Weltkrieg an Ruhr erkrankte französische Soldaten mit einer Lösung von Bakteriophagen und wurde damit zum Pionier der Phagentherapie. Im Jahr 1936 gründete er gemeinsam mit seinem Kollegen Georgi Eliava in Georgien ein Institut für Phagenforschung. Mit der Entdeckung des Penicillins nach dem Zweiten Weltkrieg und der Entwicklung weiterer Antibiotika geriet jedoch die Phagentherapie in den westlichen Ländern in Vergessenheit, nicht so in der ehemaligen Sowjetunion und einigen Ländern des Ostblocks. Das Georgi-Eliava-Institut in Tbilissi besteht noch heute und ist nach wie vor in der Phagenforschung sowie in der Produktion von Phagenprodukten tätig. Die Forschung in den westeuropäischen Ländern kam erst vor wenigen Jahren wieder in Gang, als das Thema Antibiotikaresistenzen zunehmende Bedeutung erlangte.
Gegenüber Antibiotika haben Phagen den Vorteil, dass sie wirtsspezifisch wirken. Bestimmte artspezifische Rezeptorsubstanzen in der Zellwand des Bakteriums ermöglichen den Phagen das Anheften und den Eintritt in die Zellen nur dieser einen Bakterienart. Deshalb verursachen sie zum Beispiel in der Darmflora viel weniger Schäden als Antibiotika. Ein großer Nachteil für die Therapie ist jedoch der Umstand, dass der Erreger zunächst spezifiziert werden muss. Damit verzögert sich der Therapiebeginn, was bei schnell fortschreitenden bakteriellen Infekten durchaus von Bedeutung ist. In der Praxis kommen daher oft Phagenmischungen zum Einsatz, was jedoch wieder die Nebenwirkungsrate auf das menschliche Mikrobiom erhöht. Vor allem im traditionsreichen Georgien ist man aus diesem Grund dazu übergegangen, Phagen nur dann anzuwenden, wenn der Erreger bekannt und gegen konventionelle Antibiotika resistent ist. Dabei müssen die Phagen nicht unbedingt am erkrankten Menschen zum Einsatz kommen, sie können auch sozusagen prophylaktisch in der Lebensmittelindustrie beispielsweise gegen Salmonellen und Listerien angewendet werden.