Bakterio- und Virophagen |
Im Gegensatz zu Georgien und anderen osteuropäischen Ländern ist in Deutschland noch kein Phagenprodukt auf dem Markt. Wissenschaftler der Universität Münster forschen gemeinsam mit der Firma HyPharm GmbH an Phagen, die den Krankenhauskeim Staphylococcus aureus angreifen. Unter dem Dach der beiden Arbeitsgruppen Phage4Cure und PhagoFlow arbeiten namhafte deutsche Forschungsinstitute, so unter anderem die Charité, das Leibniz- und das Fraunhofer-Institut an der Entwicklung von Arzneimitteln auf der Basis von Bakteriophagen, deren Wirt Pseudomonas aeruginosa ist. Sie setzen vor allem auf die Züchtung spezifischer Phagen.
Ganz ohne Probleme und Nebenwirkungen ist die Therapie mit Phagen nicht, vor allem die Bakterientoxine, die bei der Zerstörung durch die Phagen frei werden, verursachen Fiebersymptome bis hin zum toxischen Schock. Temperente Phagen sind für die Therapie ungeeignet, denn sie können bei ihrer Vermehrung bakterielles Erbgut mitschleppen und damit Antibiotikaresistenzen verbreiten. Sowohl die Bakterien als auch der Mensch können eine Immunität gegen die Phagen aufbauen.
Auch die Molekularbiologie verwendet modifizierte Phagen zur Herstellung von Arzneistoffen. So beruht der monoklonale Antikörper Adalimumab (Humira®) auf der Verwendung eines speziell auf das Andocken am menschlichen Tumornekrosefaktor TNF-α gezüchteten Phagen.
Wo Bakterien sind, sind Phagen also nicht weit. Und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch im menschlichen Körper Viren persistieren. Unsere Haut- und Darmflora besteht nicht nur aus Bakterien und Pilzen, sondern auch aus einer Gemeinschaft von Viren, die die der Mikroorganismen zahlenmäßig bei Weitem übertrifft. Am besten untersucht ist das intestinale Virom, wie die Wissenschaftler die Virengemeinschaft in Analogie zum (lebenden) Mikrobiom genannt haben. Viren, zu 90 Prozent Bakteriophagen, bilden Oberflächenstrukturen an der Darmschleimhaut und binden sich vor allem an deren Glykoproteine. Die Nähe der Kolonien zum Immunsystem des Darms ist nicht zufällig, tatsächlich spielen die Viren eine große Rolle für das Darm-Abwehrsystem.
An der Oberfläche der Darm-Mukosa halten sich hoch spezialisierte Phagen auf, die das Darmepithel vor pathogenen Bakterien schützen. Sie sind fest an der Oberfläche der Mukosa verhaftet und entgehen so der Ausscheidung mit dem Darminhalt. In den tieferen Schichten der Mukosa finden sich nur noch wenige Bakterien. Die Kontaktzone zum Darmepithel ist praktisch bakterienfrei. Forscher führen das auf die Aktivität der Bakteriophagen zurück, die sie auch noch in den tiefsten Schichten der Darmschleimhaut nachweisen konnten. Sie betrachten die Gemeinschaft der Phagen als separate, nicht körpereigene Immunbarriere.
Gleichzeitig geben die Phagen an nicht invasive, nützliche Bakterien Informationen weiter, die es ihnen erleichtern, ökologische Nischen im Darm zu besiedeln und pathogene Keime zu verdrängen. So speichern die Viren in ihrem Genom wichtige metabolische Funktionen, wenn die bakterielle Darmflora als Folge einer Antibiotikabehandlung stark dezimiert wird. Sie geben diese Informationen an die nachkommenden Bakteriengenerationen weiter und dienen damit gewissermaßen als genetische Datenbank. Sie können aber auch Antibiotikaresistenz-Gene auf Bakterien übertragen. So stellten Forscher fest, dass während der Dauer einer Antibiotikatherapie die Interaktionen zwischen Phagen und Bakterien besonders hoch sind. Sie konnten nachweisen, dass der Gentransfer durch Bakteriophagen das Entstehen von multiresistenten Keimen begünstigt.