Bei Paxlovid auf Interaktionen prüfen |
Die Apotheke ist eine wichtige Instanz, um Interaktionen zu entdecken. In Rücksprache mit dem Arzt kann nach einer Lösung gesucht werden. / Foto: Shutterstock/racom
Paxlovid® enthält neben dem Wirkstoff Nirmatrelvir, der sich gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 richtet, den HIV-Proteaseinhibitor Ritonavir. Letzterer dient allein dem Zweck, für einen ausreichend hohen Wirkspiegel von Nirmatrelvir zu sorgen. Die Art, wie Ritonavir dies erreicht, ist gleichzeitig das Problem, wenn es um Interaktionen mit anderen Arzneistoffen geht: Es kommt zu einer starken Hemmung des Enzyms CYP3A4, über das viele Arzneistoffe verstoffwechselt werden. Ritonavir behindert damit – wie erwünscht – den Abbau von Nirmatrelvir. Es resultiert eine höhere Plasmakonzentration. Die hemmenden Effekte beginnen laut der Fachgruppe COVRIIN des Robert-Koch-Instituts mit der ersten Einnahme von Paxlovid und halten nach Therapieende noch drei bis fünf Tage an. Neben der CYP3A4-Hemmung beeinflusst Ritonavir noch weitere CYP-Enzyme und hemmt außerdem das Transportprotein p-Glykoprotein (p-GP).
Nicht erwünscht sind die Effekte auf die Enzym- und Transportaktivität, wenn es um andere, gleichzeitig angewendete Arzneimittel geht. Toxisch erhöhte oder stark verminderte Wirkspiegel können die Folge sein. Der Interaktions-Check ist also ein Muss und auch Bestandteil der AMK-Checkliste zu Paxlovid, mit der Apotheken die Beratung und Abgabe des Covid-19-Medikaments dokumentieren.
Für die Recherche von Interaktionen ist zunächst die Fachinformation von Paxlovid relevant, nicht zuletzt hinsichtlich der Kontraindikationen. Der Hersteller Pfizer bietet zusätzlich ein Online-Portal mit einem Wechselwirkungs-Check für Paxlovid an.
In Kooperation mit der Abteilung für Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie des Universitätsklinikums Heidelberg hat außerdem die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) ein sogenanntes Sankey-Diagramm zu den Interaktionen erstellt. Hier werden die empfohlenen Maßnahmen für zahlreiche Wirkstoffe in einem farblichen Schema dargestellt.
»Da Patienten ihre Paxlovid-Therapie in häuslicher Quarantäne/Isolation erhalten werden, ist es schwierig, ein Monitoring durchzuführen«, gibt die AMK zu bedenken. Daher spricht sich die Kommission gegen Kombinationen aus, die mit einem intensivierten Monitoring gegebenenfalls handhabbar gewesen wären. »Die aufgeführten Empfehlungen sind konservativ gewählt und haben in der Mehrzahl der Fälle dazu geführt, die weitgehend wechselwirkungsfreie Alternative Molnupiravir (Lagevrio®) vorzuschlagen und dies selbst in Situationen, für die im Einzelfall eine pharmakokinetisch fundierte Vorgehensweise gefunden werden könnte, die den Einsatz von Paxlovid ermöglichen würde.«
Demnach sind bei vielen potenziellen Interaktionen im Zusammenhang mit Paxlovid keine besonderen Maßnahmen notwendig, etwa bei gleichzeitiger Anwendung mit den sehr häufig eingesetzten Arzneistoffen Allopurinol, Amlodipin, Bisoprolol, Candesartan, Ibuprofen, Levothyroxin, Metamizol, Metformin, Metoprolol, Pantoprazol, Ramipril, Sumatriptan, Tilidin/Naloxon und Torasemid.
Bei einigen Kombinationspartnern sollte die Tagesdosis der Dauermedikation während der fünf Behandlungstage mit Paxlovid halbiert werden. Das gilt für Alfentanil, Alprazolam, Amitriptylin, Methylprednisolon, Nifedipin und Trazodon.
Während der Paxlovid-Behandlung pausiert werden sollte die Einnahme von Amiodaron, Avanafil, Cabergolin, Felodipin und Vardenafil. Falls ein Patient bereits eine HIV-Therapie mit Ritonavir oder Cobicistat erhält, soll er zur Behandlung von Covid-19 nur die Nirmatrelvir-Tabletten von Paxlovid einnehmen und die Ritonavir-Tabletten weglassen.
Bei vielen anderen Arzneistoffen sollte zur Sicherheit statt Paxlovid das andere verfügbare orale Covid-19-Medikament, Molnupiravir (Lagevrio® von MSD), verordnet werden. Das gilt unter anderem für Patienten unter Therapie mit bestimmten Statinen (Atorvastatin, Lovastatin, Rosuvastatin, Simvastatin), den Blutverdünnern Apixaban, Dabigatran, Rivaroxaban und Phenprocoumon, den Gichtmitteln Colchicin und Fexofenadin, dem Antibiotikum Erythromycin, dem Asthma- und COPD-Mittel Salmeterol, Johanniskraut sowie vielen Psychopharmaka, Immunsuppressiva und Kinasehemmern.
»Im Zweifel sind die Fact Sheets zu Paxlovid und die Fachinformationen der einzelnen Interaktionspartner zu Rate zu ziehen«, heißt es im Disclaimer der Grafik.
Die RKI-Fachgruppe COVRIIN bietet wiederum eine Interaktionsübersicht in Tabellenform. Unterschieden werden »Arzneimittel, bei denen von einer gleichzeitigen Behandlung mit Paxlovid abzuraten ist« und »Arzneimittel, die nur unter besonderer Vorsicht gleichzeitig eingesetzt werden können«. Fällt ein Arzneimittel in die erste Kategorie und/oder ist es kontraindiziert, empfiehlt die Expertengruppe, die Einnahme zu pausieren oder, wenn das nicht möglich ist, eine alternative Covid-19-Therapie zu wählen. Gegebenenfalls könne auch auf einen vergleichbaren Arzneistoff mit geringerem Interaktionspotenzial umgestellt werden. Ein Beispiel wäre der Ersatz von Simvastatin durch Pravastatin.
Bei Arzneimitteln aus der zweiten Kategorie raten die RKI-Experten – wenn möglich – ebenfalls zur Pause unter Paxlovid-Therapie. Alternativ sei bei diesen Wirkstoffen eine Dosisanpassung mit begleitender Kontrolle des Medikamentenspiegels möglich. Ist kein adäquates Monitoring möglich, bleibe nur eine andere Covid-19-Therapie.
Arzneimittelgruppe | Arzneimittel, bei denen von einer gleichzeitigen Behandlung mit Paxlovid abzuraten ist | Arzneimittel, die nur unter besonderer Vorsicht gleichzeitig eingesetzt werden können |
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Statine und andere Lipidsenker | Simvastatin, Lovastatin, Lomitapid | Atorvastatin, Rosuvastatin |
Thrombozyten-aggregationshemmer | Clopidogrel, Ticagrelor, Prasugrel, Vorapaxar | |
Antikoagulanzien | Rivaroxaban, Endoxaban, Apixaban, Dabigatran | Phenprocoumon (nur unter INR-Kontrolle) |
Antibiotika / Tuberkulosemittel | Rifampicin, Fusidinsäure | Erythromycin, Clarithromycin, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Rifabutin, Bedaquilin, Delamanid |
Antihistaminika | Astemizol, Terfenadin | Loratadin, Fexofenadin |
Kontrazeptiva | Ethinylestradiol (verminderte Effektivität) | |
Schilddrüsenhormone | Levothyroxin | |
Phytopharmaka | Johanniskraut | |
PDE-5-Hemmer | Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil |
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.