Chronische Erschöpfung nach Covid-19? |
Anhand dieser historischen Aufzeichnungen haben US-Forscher eine Prognose gewagt. Daten zu SARS-CoV-2 kamen von den US Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Die Simulation basiert auf etlichen Annahmen und ist sicher mit großen Fehlern behaftet. Lassen sich Ergebnisse aus SARS-Zeiten übertragen, würde das jedoch im Jahr 2020 zu 400.000 bis 3,6 Millionen Menschen mit CFS-ähnlichen Symptomen führen. Zwei Jahre nach der SARS-SoV-2-Pandemie gäbe es immer noch 175.000 bis 1,5 Millionen Betroffene.
In Deutschland haben sich bis Redaktionsschluss knapp 200.000 Menschen mit SARS-CoV-2 infiziert, etwas mehr als 9.100 sind gestorben, und knapp 183.000 haben sich wieder erholt. Mit einigen zehntausend neuen CFS-Patienten wäre auch bei uns zu rechnen, doch wissenschaftliche Fragen bleiben offen.
»Wir benötigen bei Covid-19-Erkrankten eine Nachverfolgung über die nächsten 24 Monate«, sagt Nicole Krüger, Vorsitzende der Lost Voices Stiftung, in einer Pressemeldung. »Es gibt Hinweise, dass die ersten drei Jahre eine Schlüsselrolle bei einer möglichen Chronifizierung spielen.« Die Lost Voices Stiftung engagiert sich für Menschen mit CFS. In der Corona-Pandemie sehen sie eine Chance, Prozesse hinter der enormen Müdigkeit besser zu verstehen. Bisher weiß man, dass virale oder bakterielle Infekte CFS triggern können. Forscher diskutieren immunologische, endotheliale und metabolische Anomalien als Erklärung.
Bekanntlich kann SARS-CoV-2 zu schweren Lungenentzündungen führen. Patienten erhalten Sauerstoff oder werden künstlich beatmet. Nach der Besserung ihrer Beschwerden verlassen sie die Intensivstation und einige Wochen später auch das Krankenhaus.
»CT-Bilder der Lungen von genesenen COVID-19-Patienten legen nahe, dass viele von ihnen nicht wirklich gesund sind, sondern als Folge der Infektion mehr oder weniger starke Lungenschäden aufweisen«, sagt Professor Dr. med. Andreas Rembert Koczulla in einer Pressemeldung. Er ist Chefarzt des Fachbereichs Pneumologie der Schön Klinik Berchtesgadener Land. Man müsse davon ausgehen, dass selbst nach Ende der Akutphase der Gasaustausch der Lunge langfristig beeinträchtigt sei. Dies könne Koczulla zufolge auch Patienten betreffen, die im Krankenhaus nicht beatmet worden seien: eine weitere Erklärung für starke Müdigkeit.
Forscher aus dem französischen Strasbourg warnen, nur an die Lunge zu denken. In der Fachzeitschrift »New England Journal of Medicine« berichten sie über Nierenstörungen bei COVID-19-Patienten. Teilweise mussten Dialysen durchgeführt werden. Auch zu Entgleisungen des Blutzuckers ist es mitunter gekommen. Solche Beschwerden normalisierten sich oft wieder, blieben mitunter aber auch bestehen. US-amerikanische Ärzte berichten auf Plattformen auch von Übelkeit und Erbrechen – hier handelte es sich ebenfalls um eine bislang unbekannte Symptomatik der SARS-CoV-2-Infektion.
Zum Hintergrund: Heute weiß man, dass SARS-CoV-2-Viren über den ACE2-Rezeptor in Zellen eindringen. Diese Bindungsstelle ist nicht nur auf Lungenzellen, sondern auf etlichen Zelltypen im Körper zu finden. Deshalb gehen Forscher davon aus, dass die neuartigen Coronaviren etliche Organsysteme befallen. Bei der Autopsie von Todesfällen vor einigen Jahren, damals zirkulierte das SARS-1-Virus, hat man bereits gesehen, dass etliche andere Organe beteiligt waren.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.